Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
Belian.
„Hör auf! Transnav ist das Horrorfach aller angehenden Offiziere und der Hauptgrund, weshalb so viele bei ihrer Patentprüfung scheitern. ‚Transnav scheidet die Spreu vom Weizen’, wird unter den Ausbildern gesagt. Ich hatte einen sehr guten Tag und eine leichte Prüfungsaufgabe. Das war mein großes Glück! Was habe ich damals gezittert, denn sie hätten mich zum Unteroffizier degradiert, wenn ich es nicht gepackt hätte.“
Niven schnitt eine Grimasse.
„Ich dachte, Kristian macht nur Scherze. Du hast ihn doch damals nicht wirklich gefragt, ob er dir dieses Höllenzeug beibringt?“
„Früher habe ich das mal getan“, meinte Belian wehmütig. „Mathematik ist stets so unkompliziert und eindeutig. Ich wünschte, das Leben wäre genauso einfach. Keine Fragen, wohin man gehört, keine Gefühle und keine Komplikationen. w = das, x =das, y = das, z = das. Zwei Striche drunter und fertig. Quod erat demonstrandum. Nur eine richtige Lösung, nicht zwei. Und schon gar kein Dutzend!“
„Ja, manchmal wäre das Leben wirklich viel einfacher, wenn es nur einen vorgezeichneten Weg gäbe.“ Niven seufzte, aber aus seinen Augen sprach Wärme, als der 25-jährige Freund forderte: „Aber dann wäre es auch viel langweiliger! Ich bin zwar katholisch, aber trotzdem weigere ich mich, an die völlige Vorherbestimmtheit zu glauben. Jeder Mensch hat seinen eigenen freien Willen und kann selbst entscheiden, was aus ihm wird. Was sagst du dazu?“
„Ich möchte mich mit dem Thema Religion lieber nicht mehr auseinandersetzen, wenn ich ehrlich sein darf. Lass uns lieber von etwas Unverfänglichem reden. Um nochmals auf Transitnavigation zurückzukommen, mir wurde früher gesagt, sie wäre die Krone der Mathematik und der modernen Physik.“
Niven schien enttäuscht, aber er stieg darauf ein. „Das ist auch so. Es hört sich so einfach an. Im Prinzip geht es nur um die Reise von Punkt A nach Punkt B. Wenn man es aber genau nimmt, so ist das Phänomen des Zwischenraumes auch nach mehreren Jahrhunderten noch immer nicht gänzlich erforscht. Wir bereisen ihn, aber unsere besten Naturwissenschaftler verstehen ihn nicht.“
„Der Entdecker hat einen großen Preis bekommen.“
„Winston Allen Willoughby. Allein der Name wäre doch schon etwas für dich, du Englischgenie. Er hat den Nobelpreis bekommen und auch so ziemlich alle anderen Auszeichnungen, die es zu seiner Zeit gab. Durch seinen Beweis wird dieses Schiff nachher im Anschluss an die komplizierten Berechnungen der Eingeweihten ins Nichts eintreten und nach fast genau einem halben Jahr genau dort wieder herauskommen, wo es auch herauskommen soll.“ Nivens momentane Nachdenklichkeit ließ den gebürtigen Terraner sogar vergessen, wie schmerzlich der Abschied von der Heimat für Belian war.
Der ausgestoßene Einheimische versuchte, den damit verbundenen Stich zu ignorieren. Genauso wie seine Operationswunden, die sich manchmal besonders schlimm meldeten.
„Ja, so hieß der Mann. Ich habe früher mal davon geträumt, derjenige zu sein, der den Zwischenraum erklärt, anstatt ihn nur zu beweisen.“
Der Freund betrachtete ihn, als wäre Belian nicht mehr ganz bei Trost. „Viel Spaß!“
„Ernsthaft! Früher war das mal eines meiner Ziele.“
„Und die anderen?“
Obwohl ihm auch dieses Gespräch nicht angenehm war, stellte Belian sich dem Ganzen. In Zukunft würde er der Konfrontation auch nicht ausweichen können. „Ich wollte ein guter Duc sein, heiraten, Kinder in die Welt setzen und irgendwann mal Planet Nouvelle Espérance aus dem Orbit sehen sowie zu den Sternen reisen. Zumindest Zweites hat sich erledigt, genau wie Erstes. Nur auf verschiedene Art.“
Auch Niven war sichtlich angeschlagen, obwohl er versuchte, es zu überspielen. „Manche Wünsche ändern sich und andere kann man sich später immer noch erfüllen. Ich wollte immer Jura studieren…“ Das trieb dem ehemaligen Leutnant jetzt sogar Tränen in die Augen. „… und ein kleines Haus am Meer haben. Nur für mich und… für meine kleine Familie. Bitte entschuldige. Mir ist nur gerade nicht allzu gut.“
Wieder einmal blieb Belian fassungslos allein zurück. Niven war einfach hinausgerannt.
In der Stille und der aufgekommenen Leere hallte der allgegenwärtige Schiffsantrieb umso mehr. Die Berlin war unterwegs zum vermutlich längst errechneten Transitpunkt.
‚Ich wünschte, ich könnte Julien verstehen!’ Immer mehr wuchs in Belian die Erkenntnis heran, dass er Francis
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