Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
Garthers dringende Bitte gerade missachtet hatte. Er war seinem sensiblen Freund Niven zu nahe getreten.
Glücklicherweise kam dieser bald zurück und sah auch bedeutend besser aus. Nicht mehr ganz so blass.
„Entschuldige. Ich bin nur aufgeregt, weil es jetzt endlich nach Hause geht.“ Dabei wich der Freund jedoch dem auf ihn gerichteten Blick beharrlich aus. Log er etwa? „Ich freue mich sehr darauf, meine Eltern wiederzusehen. Und meine Schwester. Sie ist vermutlich schon selbst Mutter.“
„Du hast früher niemals erwähnt, ob jemand auf dich wartet. Vielleicht eine Freundin oder eine Verlobte wie in Commander Maitlands Fall?“ Irgendwie konnte Belian sich das bei Niven nicht vorstellen. Es passte nicht zu ihm und fühlte sich falsch an.
„Nein“, war die kurz angebundene Antwort. Der zweite Teil war sogar noch abweisender und geradezu schroff. „Ich hätte dir schon gesagt, wenn dem so wäre.“
„Bitte entschuldige, wenn ich dir wehgetan habe. Es war keine Absicht.“
„Schon gut.“ Dazu zwang Niven sich regelrecht. „Ich bin nur gerade in ein Stimmungsloch gefallen. Wirf mir einfach an den Kopf, wenn ich meine Launen wieder an dir auslasse.“
„Du musst nicht bei mir bleiben. Ich weiß es natürlich zu schätzen, aber falls du jetzt lieber allein sein möchtest…“ Belian musste das offerieren, obwohl er um nichts in der Welt jetzt allein sein wollte. Sein Freund sollte bleiben!
„Es geht schon wieder“, schwindelte Niven. „Ich weiß auch nicht, was heute mit mir los ist.“
‚Du weißt es ganz genau, aber du willst es mir nicht sagen!’ Das wurmte Belian. Wenn Francis Garther doch nur nicht so in Rätseln gesprochen hätte!
„Soll ich dir von Terra erzählen? Oder wonach steht dir am meisten der Sinn?“
„Wenn ich ehrlich sein darf, so würde ich gern etwas rechnen. Kristian hat mir damals die komplexen Gleichungssysteme vierten Grades beigebracht, aber diejenigen des fünften habe ich nie verstanden. Es wäre der Stoff des letzten Halbjahres gewesen. Wenn ich jetzt einen Block und einen Stift hätte…“
„Ich weiß was Besseres. Warte!“
„Julien!“
Wieder war der Freund auf und davon, während Belian wie auf glühenden Kohlen zurückblieb und warten musste. Mehr denn je drohte ihn sein kleines Zimmer im Lazarett des Hilfsschiffes zu erdrücken.
‚Julien ist sich doch darüber im Klaren, wie sehr ich ihn gerade brauche! Wieso ist er also schon wieder weggegangen?’ Vor allem blieb der Ex-Offizier lange weg. Eine quälend langsam vergehende Viertelstunde sogar.
„So! Da bin ich wieder.“ Keine Spur von Verstimmung mehr. Stattdessen ein Computer mit einem großen Display und einem seitlichen Anschluss.
„Was ist das denn bitte für ein Ding?“
„Wart’s ab und denk dir derweil, es sei ein überdimensionaler Taschenrechner. Ich prophezeie dir aber schon jetzt, dass du mich auf dem Gebiet völlig vergessen kannst.“
„Transnav?“, fragte Belian zaghaft. Niven hatte doch gesagt, er verabscheue dieses Akademiefach! Also warum jetzt die Kehrtwende?
„Gleichungen vierten Grades. Du bist mit Sicherheit aus der Übung. Und später zeige ich dir, wie Transnav laufen sollte. Also zumindest theoretisch. Mein Ergebnis katapultiert uns vermutlich nach Absurdistan und zurück. Ein so langer Transit wie von Nouvelle Espérance nach Holberg ist nichts, was ich jetzt nach all den Jahren noch mal eben so hinbekäme. Sicherlich hätte ich es vor fünf Jahren auch nur an meinen besseren Tagen geschafft.“ Unausgesprochen blieb, dass heute aus Nivens Sicht zweifelsohne kein guter Tag war.
Belian war seinem Freund jedoch äußerst dankbar, dass dieser ein solches Opfer brachte, um einem Heimatlosen eine kleine Freude zu machen.
„Dieses Mistding! Dabei können wir froh sein, dass dieser Sonderling Auberg im Schiffsgefängnis sitzt. Ansonsten bräuchte er den Computer jetzt selbst, obwohl Steinhoff gerade meinte, er hätte sowieso keine Ahnung von gar nichts.“
„Leutnant Auberg hat dabei geholfen, mich zu retten, Julien. Wieso sprechen alle so schlecht von ihm?“ Selbst Wahiri hielt seinen Sechsten Leutnant für komisch und lachte über ihn.
„Man soll nicht schlecht über andere Leute reden. Schon gar nicht, wenn sie persönliche Probleme haben. Der Juniorleutnant hat sich in den letzten Jahren selbst isoliert, und du tust gut daran, dich nicht allzu sehr mit ihm einzulassen.“
„Wie bitte?“
Niven erkannte, dass seine vorherige Antwort nicht ausreichte.
Weitere Kostenlose Bücher