Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
Stehen kam, merkte Belian, dass manche der Terraner seltsame Haarfarben hatten. Auf Nouvelle Espérance waren alle Leute braun- oder schwarzhaarig. Die einzigen Ausnahmen waren in der Bevölkerung durch rezessive Vererbung bedingt oder kamen von außerhalb. Von den sechs in der ersten Reihe stehenden oder dort festgehaltenen Feinden waren zwei blond, zwei braunhaarig, einer hatte einen schwarzen Schopf und Instruktor Jasko seinen roten.
Hinter ihnen waren sogar noch merkwürdigere Terraner zu sehen. Leute mit sehr dunkler Haut oder sonderbar geformten Augen. Die Kamera stellte sie besonders heraus, genauso wie den verletzten Kristian Jasko oder einen nur wenig älteren Kollegen von ihm, dessen linker Uniformärmel abgeschnitten war. Dem gut aussehenden Mann war das Körperglied offensichtlich amputiert worden. Vielleicht hatten sie es auf ihrem eigenen Schiff aufgegessen oder so. Verhungernde Menschen taten Schlimmes, und Terraner waren womöglich nicht gottesfürchtig genug, um vor abscheulichen Dingen wie Kannibalismus zurückzuschrecken.
Als Monarch Alexander schließlich lange genug auf die von einer Menge Staatsschutzbeamten eskortierten Männer heruntergeschaut hatte, begann er zu sprechen. Belian hatte jedoch keinerlei Lust, den Ton anzuschalten.
Er sah nur, dass die beiden blonden Männer vortraten, die ironischerweise von den feindlichen Führungsleuten haargenau der Älteste und so ziemlich der Jüngste waren. Verwandt schienen sie jedoch nicht zu sein, denn eine derartige Ähnlichkeit war nicht zu bemerken. Der Ältere hatte drei schwarze Streifen auf dem Ärmel der braunen Uniform, während der Jüngere einen weniger hatte.
Ein kurzer Dialog schien sich zu entwickeln, aber er war im Grunde einseitig durch König Alexander dominiert. Der junge Blonde übersetzte vielleicht für den anderen, und dabei wuchs sein Erschrecken, wie die Kamera sehr gut aufnahm.
Gerade als Belian sich zu erinnern versuchte, was der König damals genau gesagt hatte und ob es nicht vielleicht doch besser wäre, den Ton der Aufzeichnung zu aktivieren, nickte der ältere Terraner, dessen Gesicht durch eine quer verlaufende Narbe entstellt war. Der Ausländer schluckte schwer und beging eine Majestätsbeleidigung, indem er sich halb zu seinen Leuten umdrehte.
Monarch Alexander wollte auffahren und eine verdiente Strafe befehlen, aber die Feinde unterwarfen sich und knieten sich auf den Betonbelag. Zunächst der Anführer, dann sein Begleiter, als Nächstes der invalide Offizier mit dem fehlenden Arm und der Rest der Männer hinter ihnen. Jaskos Helfer setzten den Behinderten vorsichtig unten ab und waren die Letzten. Auch sie senkten dabei die Köpfe und erkannten die Allmacht des Königs von Nouvelle Espérance genauso an wie alle seine Untertanen.
Die Angehörigen des Militärs der Erde schmeckten den Staub dieser ihnen fremden Welt. Es war eine sehr späte Genugtuung für die Unterdrückung und Verfolgung der nach Nouvelle Espérance ausgewanderten Ahnen der heutigen Bevölkerung. Die Emigranten hatten einst in einer auf Terra befindlichen Nation namens Frankreich sehr gelitten.
Jetzt war auch klar, weshalb Kristian Jasko und die anderen Terraner noch lebten. Belian empfand angesichts der detaillierten bewegenden Bilder dasselbe wie damals. Der König hatte den Feinden seiner Untertanen in seiner Gnade das Leben geschenkt, weil es Gottes Wille gewesen war. Der Allmächtige hatte die Gefangenen hergeführt, die hochmütigen Ausländer Demut gelehrt und Königin Michelles Herz für einen Sünder wie Jasko geöffnet. Genauso wie zuvor das von Bürger Ollivier und jetzt Etienne Belians.
Als er auf den sitzenden und ebenfalls in gebückter Haltung verharrenden Jasko schaute und sogar den Bildausschnitt vergrößerte, fielen dem Einheimischen die Handgelenke auf. Sie waren frei von jeglichen Narben. Was auch immer den Terraner dazu verleitet hatte, die Sünde des Todes durch eigene Hand begehen zu wollen, es war erst danach eingetreten. Nach der Ankunft auf Nouvelle Espérance.
‚Und jetzt ist es meine Aufgabe, auf ihn aufzupassen. Ihn vor den Folgen seiner Sündhaftigkeit zu bewahren.’ Genau das würde Belian auch tun. Sowohl aufgrund von Gottes Gebot als auch aus Mitgefühl. Sie waren momentan beide in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Invalidität verband, und großzügig zu sein zeichnete einen guten Gutsherrn aus.
‚Falls er es wert ist.’
Eigentlich hatte er die Antwort darauf schon. Sie lag in den soeben
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