Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
Gefahr. Nicht einmal wegen des schändlichen Aktes, der kaum noch als harmloser Streich bezeichnet werden konnte, sondern einzig, weil Belians kleiner Bruder jetzt womöglich gleichfalls Ungeziefer auf dem Kopf hatte. Auch das ließ den Größeren kurz frohlocken, aber für die Terraner war die mögliche Folge, dass sie nicht als Geschädigte gelten würden, sondern als Urheber der Plage. Natürlich fürchteten sie sich davor.
„Paul hat Sie kontaminiert?“
Maitland wollte schon zustimmen, aber Heathen unterband es genauso wortlos und verbindlich, wie er gerade stumm getadelt hatte. Der reifere Leutnant wählte seine folgenden Worte dafür äußerst bedachtsam.
„Monsieur, Ihr Bruder wurde von Francis gesehen, als er aus unserem Quartier kam. Juliens und Kristians Betten waren unordentlich. Wir hatten eigentlich entschieden, es für uns zu behalten, zumal ja nichts weiter geschehen und schon gar nichts bewiesen ist…“
Die Verunreinigung mit Läusen und das verbotene Betreten des tagsüber natürlich nicht abgeschlossenen Geräteschuppens durch einen Unbefugten als ‚nichts’ zu bezeichnen, war ein wahres Understatement. Eine Untertreibung, die nur ein Mann vorbringen konnte, der sich beinahe ein Jahr lang in Dunoise in den Händen des Staatsschutzes befunden hatte und die Befürchtung hegte, womöglich wieder genau dorthin zurückgeschickt zu werden. Und das alles nur, weil ein kleiner neunjähriger Mistkerl behaupten würde, sich bei ihnen angesteckt zu haben!
„Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde mich darum kümmern. Wer von Ihnen ist betroffen?“
„Bislang allein Julien.“
„Hoffen wir, dass es so bleibt. Trotzdem begeben Sie sich bitte alle in Quarantäne und kümmern sich um Leutnant Niven.“ Belian ließ die beiden besorgten und noch dazu aufeinander wütenden Männer stehen. Er ging zurück ins Haus. Aus seinem heutigen Ausritt würde nichts werden, obwohl vielleicht doch. Es wurde Zeit, sich einmal um ‚Verständigung’ mit Paul zu bemühen. Ein gemeinsamer Ritt würde genau das Richtige sein und der mittlerweile zum Expertenintriganten mutierte Erstgeborene setzte ihn durch. Die Duchesse freute sich riesig und befahl dem jüngeren Sohn geradezu, das Satteln seines Ponys anzuordnen und mitzumachen.
Was der ablehnend eingestellte Paul keineswegs wusste, war, dass Belian einen langen Ausflug plante und sich vor dem Aufbruch das Entlausungsmittel aus dem Terranerschuppen besorgte. Jeffrey Abraham war äußerst besorgt gewesen und hatte ihn gar zurückhalten wollen, aber er hatte nur einen Befehl zur Antwort erhalten. Dem hatte der Commander stattgeben müssen.
Abraham machte sich genau wie die fünf Leutnants deswegen Sorgen, als der doppelte Hufschlag von Flore und dem Pony des Neunjährigen verklang. Im Folgenden war es nicht nur Julien Niven, der von seinen Gefährten nachvollziehbarerweise gemieden wurde, sondern auch Andreas Maitland. Selbst Kristian Jasko war stinksauer auf seinen Freund.
Je länger die beiden Söhne des Ducs ausblieben, desto öfter rannte Francis Garther raus auf die Toilette. Der einstige Stabsleutnant mit seinem sehr nervösen Magen brach sich die Seele aus dem Leib, während die anderen wütend und allesamt hilflos bangten. Sie lasteten ihrem unbeherrschten Kameraden Maitland an, dass er sie durch den unbedachten Ausbruch in Gefahr gebracht hatte.
Schließlich war es Garther, der den Streit darüber anfing, und an dessen Ende stand nur ein Machtwort ihres Oberbefehlshabers. Nach Abrahams Meinung war sinnlos, dass sie sich selbst zerfleischten, während Belian nach Jaskos eindeutiger Einschätzung vermutlich die Dummheit seines Lebens machte. Jene Tat, die den Siebzehnjährigen endgültig ächten würde und sechs von ihm abhängige Ausländer mit in den Abgrund zu reißen drohte.
„Bevor sie mich wieder nach Dunoise bringen, mache ich Schluss! Das packe ich nicht!“ Keine Ankündigung eines Kristian Jasko, sondern sie stammte aus Julien Nivens Mund.
Währenddessen grasten etliche Kilometer weiter im Wald zwei unterschiedlich große angebundene Pferde gemütlich das spärliche Herbstgras ab, das sie um den Baum herum erreichen konnten. Ein paar Meter weiter floss ein Waldbach. Die Duchesse und der unendlich erleichterte Familienvorstand glaubten an eine stundenlange Aussprache zwischen Etienne und Paul, aber es war eine, in der kaum ein Wort fiel. Stattdessen fand nur ein sprichwörtliches Waschen des Kopfes statt, das später in einem Geständnis des
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