Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
Planes zur Vertreibung der Terraner gipfelte.
So war sogar Pauls felsenfestes Vorhaben gewesen, sich selbst mit Läusen zu verseuchen, damit alle glauben würden, er hätte sich bei den ‚Unreinen’ angesteckt. Dafür hatte er einen gebrauchten Kamm aus der Wohnung der Chauffeursfamilie stibitzt und ausnahmslos alle Terranerbetten im Geräteschuppen damit bestrichen. Julien Nivens Kopfkissen war nur das erste gewesen.
Zur Strafe wusch Belian dem Rotz und Wasser heulenden Übeltäter die Haare im eiskalten Bach, bis die ganze Flasche Entlausungsmittel leer war. Allgemein herrschende Vorurteile über die allesamt angeblich so unreinen und primitiven Terraner hatten auch ihre Vorteile. Sechs Männer brauchten viel Chemie. In Wahrheit hatte allein Niven von dem aufgrund seines losen Mundwerks dazu verdonnerten Maitland die eklige, stinkende Desinfektionsspülung verpasst bekommen, und der gesamte Rest des Zeugs ging Stunden später an den neunjährigen, ‚zivilisierten’ Erben der Auvergne. Den Geruch anschließend wieder loszuwerden war schwierig, aber nicht unmöglich. Weitere zwei Stunden auf dem Pferd ließen Pauls Haare auch wieder trocknen.
„Und vergiss nicht, wir verstehen uns ab jetzt blendend!“, kommandierte Belian kurz vor der Heimkehr. Er wusste, dass Paul jetzt tun würde, was verlangt wurde. Das, was schon längst überfällig gewesen war. Die am Familienzwist gänzlich unbeteiligten Terraner würden bleiben können, und der heutige Tag hatte auch die Situation des ältesten Sohnes verbessert. Was in zehn bis fünfzehn Jahren sein mochte, das spielte für Etienne Belian noch keine Rolle. Die schreckliche Zeit nach dem Unfall hatte ihn gelehrt, dass jemand ohne Zukunft auch ruhig kurzfristig planen durfte. Die Hauptsache war die Gegenwart, und die war erstmals kein Kampf mehr zwischen ihnen. Paul war ein wahres Muster von Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, während Hass und Angst hinter seiner aufgesetzten Maske brodelten. So manches Mal zeigte das Leben einem eben Grenzen auf - oder jemand anders tat es.
Duchesse Alexandra war beim Abendmahl jedenfalls selig, und der Familienvorstand bestellte seinen Ältesten seit langer Zeit wieder erstmals zu sich. Nicht zum Tadel, aber zur Kenntnisnahme der Versöhnung und als Lob. Die seiner Rehabilitation dienenden zwei Stunden in der Bibliothek ließ Belian nahezu stoisch über sich ergehen. Er lächelte sogar freundlich, während er das Verhalten des Ducs innerlich verabscheute.
Der Siebzehnjährige würde sich niemals wieder täuschen lassen, aber er war selbst gut darin geworden, anderen etwas vorzuspielen und sogar zu lügen. Er gab einen feuchten Kehricht um das Motto seiner Familie. Wer den Pfad der Tugend einmal verlassen hatte, konnte auch gleich weiter in die Hölle gehen. Andere taten das auch vorzugsweise. Sogar und insbesondere derjenige, der von allen anderen den allergrößten Respekt und bedingungslose Ergebenheit erwartete.
Das Alte Testament predigte jedoch nicht umsonst: ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn.’ Pfarrer Crozier hatte ja keine Ahnung, wie wahr der Bibelspruch doch war!
Keine Menschenseele ließ sich auf dem Hof blicken, als Belian sein Pferd in Richtung Stall trotten ließ. Ein Angestellter kam schließlich aus einer der Kammern gehuscht, um Flore zu übernehmen. Kein Leutnant Niven, obwohl der es sonst fast immer irgendwie einrichtete, da zu sein und seinen Liebling zu verwöhnen.
Langsam wuchs Belians ungutes Bauchgefühl sich zu waschechtem Unbehagen aus. Alles war so still.
„Geben Sie mir bitte das Pferd, Monsieur. Euer Ehren möchte Sie umgehend sehen.“ Der Blick des Bediensteten flackerte, und er zerrte Flore förmlich mit sich.
Das war die Gewissheit, dass etwas geschehen war. Etwas Schlimmes. Angst lag in der Luft.
„Monsieur, wo sind die Terraner?“ Er hatte sie oft verflucht, aber ihr Schicksal ging Belian nahe. Die Vorstellung, sie könnten weggeholt worden sein, war ihm überraschenderweise unerträglich. Jeder von ihnen war ein Mensch, und allen war die riesige Angst vor dem Staatsschutz gemein.
Er erhielt keine Antwort auf seine Frage. Lediglich die Stalltür wurde von innen geschlossen, als wolle der Bürger sich darin verbarrikadieren.
In der wie ausgestorben wirkenden Eingangshalle des Guts überlegte Belian kurz, ob er sich zuerst umziehen sollte, aber er musste es wissen!
Die Entscheidung über die angemessene Kleidung wurde ihm sowieso abgenommen, denn Theodore Charles Belian
Weitere Kostenlose Bücher