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Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Titel: Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermine Pfrogner
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griff ich zuerst einmal zu meinem geliebten Gift. Bevor ich in den Unterricht ging, in den Pausen, in allen Pausen, nach Schulschluss, vor dem Essen, nach dem Essen, sogar zwischendurch, beim Zeitunglesen, beim Fernsehen, während Vorbereitungs-oder Korrekturarbeiten – die Zigarette war immer dabei.
    Nun kam es mir manchmal vor, als agierte ich in einem leeren Raum, der durch das Wegfallen des Rauchens entstanden war und der mir durchaus Angst machen konnte. Ein paar Stunden ohne Publikum, ohne Beobachtung, wenn weit und breit keiner da war, der im Fall des Falles mein Scheitern bezeugen würde – das war schon Versuchung pur.
    Dennoch stand auch in diesen Momenten der Wunsch, es zu schaffen, stets im Vordergrund, und der Wille zum Erfolg sowieso. Ich versuchte mich also immer wieder mental zu stärken, um die Leere zu füllen und mich gegen die Gefahr zu immunisieren, und das konnte durchaus drastisch ausfallen.
    In einem Anflug von Masochismus, vielleicht auch nur, um mir meine Stärke zu beweisen, wagte ich mich von Zeit zu Zeit in den Abstellraum und fischte ein angebrochenes Päckchen aus dem großen Papiersack, der immer noch in der hintersten Ecke lehnte und die Relikte meines Raucherdaseins barg. Ich zog eine Zigarette heraus, schnupperte an ihr. Sie roch gut, immer noch, ja, aber auch irgendwie fremd, anders als früher. Lust, sie in Brand zu stecken, verspürte ich nicht.
    Nie wieder Nikotin! Du schaffst das!
    Sicherheitshalber aktivierte ich vor dem Spiegel schnell noch die Zauberformel, lächelte mir nach diesem Ausflug ins Ungewisse schon wieder zuversichtlich zu und ging dann beschwingt in die Küche, um mir einen Apfel zu holen.
    Raucher mögen keine Äpfel!

An apple a day
    Was sehr nach einem Vorurteil klingt, nämlich dass Raucher keine Äpfel mögen, beruht in Wirklichkeit auf meiner langjähriger Beobachtung und Erfahrung. In all den Jahren, als das Rauchen mein Leben bestimmte, aß ich mit Ausnahme von Zitrusfrüchten kaum Obst und so gut wie nie Äpfel. Offenbar ging es meinen ebenfalls rauchenden Zeitgenossen ähnlich, denn ich habe sie viel eher mit einer dick gefüllten Semmel oder sonstigem Fast Food als mit einem prallen Apfel in der Hand gesehen.
    Wissenschaftlich ist dieser Mangel an Appetit auf den König der Früchte, auf Obst überhaupt, wohl nur schwer zu erklären. Vielleicht verträgt sich Pektin bloß nicht mit Nikotin, wer weiß das schon. Jedenfalls muss etwas an der Sache dran sein, denn seit ich nicht mehr rauchte, kamen nach und nach lange vernachlässigte Genusswelten zurück. Das galt vor allem für den Apfel, der mir bald unverzichtbar wurde. Jetzt schmeckte er mir ausgezeichnet, und so hoffte ich, er würde mich, getreu dem englischen Sprichwort, bei täglichem Genuss vor Bösem bewahren und mir den Arzt vom Leib halten.
    Auch anderes Obst, vor allem jenes mit einer säuerlich-herben Geschmacksnote, entdeckte ich neu. Während ich zum Beispiel Schülerarbeiten korrigierte, knabberte ich nun an Ananas oder Kiwis, und abends vor dem Fernseher knackte ich gerne mal die eine oder andere Nuss.
    Allmählich änderten sich meine Ernährungsgewohnheiten. Die Entdeckung, seit ich nicht mehr rauchte, viel mehr Zeit zu haben, schlug sich auch im Essverhalten nieder. Mit der Hektik und dem raschen Hinunterschlingen von irgendwas, nur um möglichst bald wieder rauchen zu können, war es vorbei, ich hatte die Gier überwunden, die mich so lange Zeit auf Trab gehalten hatte. Ich saß nun in aller Ruhe bei Tisch, konnte im Restaurant problemlos Wartezeiten aushalten, ohne nervös zu werden, und jeden Bissen genießen.
    Am Schulbüffet leistete ich mir ab und zu noch mein Lieblingsbaguette, manchmal sogar ein gefülltes Croissant, aber auch hier wuchs der angebotene Obstberg, und so griff ich ebenfalls gerne zur gesunden Jause und sah auch immer öfter Schüler in den Gängen, die lässig an einer Säule lehnten und an einem Apfel nagten. Das neue Büffet-Konzept schien im wahrsten Sinn des Wortes Früchte zu tragen – vielleicht ein wenig unterstützt durch ein infames Winterwetter, das im Moment selbst die hartgesottensten Raucher in der wohligen Wärme des Schulhauses hielt.

Die Macht des Unterbewussten
    Es begann ganz harmlos. Immer wieder sah ich die gleichen Bilder, die gleiche Szene: Ich bin in vertrauter Umgebung, unter Menschen, die ich kenne, die ich mag, in bester Laune auf einem Fest. Überall nur fröhliche Gesichter. Ich halte ein Glas Wein in der einen, eine Zigarette

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