Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
vierzig Stück also! Und das Tag für Tag für Tag für Tag!
2 Päckchen zu je 3,30 Euro machen 6,60 Euro pro Tag, das sind 66 Euro in nur zehn Tagen! Ich hatte also nun schon 118 Euro und 80 Cent gespart!
Und plötzlich war sie da, die zündende Idee, die beste aller Belohnungen, der ideale Motor meines ehrgeizigen Vorhabens: Geld! Ich würde nicht nur schöner, gesünder und vitaler werden, sondern noch dazu reich!
Nun bin ich nicht gerade der Typ, der jeden ersparten Groschen in ein riesiges Sparschwein wirft und fröhlich scheppernd damit herumtanzt, und ich möchte auch nicht gierig wie Dagobert Duck in Bergen von Münzen baden. Also verwandelte ich kurzerhand einen Terminplaner in mein ganz persönliches Tagebuch und notierte beim 30. November die wunderbare Zahl 118,80. Daneben malte ich ein schön geschwungenes Eurozeichen mit zwei kräftigen Querstrichen quasi als endgültigen Schlussstrich unter meine Raucherkarriere.
Am 2. Dezember werden es bereits 132 Euro sein, und das nach nur 20 Tagen! Alle 10 Tage werden 66 Euro dazukommen bis … bis … sagen wir, bis ein Jahr um ist. Am nächsten 12. November wird abgerechnet.
Um aber sofort eine Idee vom tatsächlichen Wert des bisher Ersparten zu bekommen, machte ich mich im Internet auf die Suche nach einer ersten möglichen Belohnung und staunte nicht schlecht, was ich da so alles fand: eine schicke Sonnenbrille aus italienischer Meisterhand, ein Schnupperaufenthalt in einem Wellness-Tempel, ein Degustationsmenü samt Weinproben beim Nobelwirten, eine ultraleichte, wolkendicke Daunendecke für lange, dunkle Winternächte, 50 Gramm Kaviar vom feinsten russischen Stör oder ein Flug ins vorweihnachtliche Paris inklusive Shopping-Guide.
Das Degustationsmenü reizte mich sehr, auch der Flug nach Paris, doch ich blieb standhaft und ließ das Geld im Börsel.
In einem Jahr wird abgerechnet. Versprochen. Nie wieder Nikotin!
Hauptsache, beschäftigt
Wer nicht mehr raucht, bekommt es unter Umständen mit einem Phänomen zu tun, das sich bei mir ziemlich ausgeprägt zeigte und das ich die „Unterbeschäftigung der Hände“ nennen möchte. Wenn das dauernde Hantieren mit der Zigarette wegfällt, entsteht ein Vakuum, das durchaus gefährlich werden kann, denn die Versuchung, doch wieder zur Zigarette oder ersatzweise auch zu Süßigkeiten zu greifen, um diese zappeligen Finger ruhigzustellen, ist groß. Leerläufe im Tagesprogramm oder Langeweile erhöhen ebenfalls das Risiko, einen Rückfall zu erleiden oder sich ständig mit Essen vollzustopfen.
Ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass ich in meinen ersten rauchfreien Tagen immer etwas zu tun haben musste und plötzlich Aktivitäten setzte, für die ich früher kaum Zeit gefunden hätte. Dabei machte ich die eigentlich gar nicht so erstaunliche Entdeckung, dass ich nun tatsächlich mehr Zeit zur Verfügung hatte, die ich erst zu nutzen lernen musste.
Ich begann daher, mich floristisch zu betätigen, kaufte Unmengen von Blumen, die ich zu Sträußen oder Gestecken arrangierte, und freute mich über meine originellen Kreationen, die manchmal sogar herrlich dufteten. Ich versorgte meine Zimmerpflanzen mit besonders viel Zuwendung und zupfte dauernd an ihnen herum, bis weit und breit kein welkes Blatt mehr zu sehen war. Ich verbrachte auch mehr Zeit in der Küche, weil mir das Kochen plötzlich Spaß machte und die wunderbaren Düfte, die ich jetzt wieder ungetrübt wahrnahm, mich angenehm anregten.
Und noch etwas entdeckte ich schon in diesen ersten Tagen: Ich fühlte mich endlich wirklich frei, befreit von einer Art Zwang, denn ich musste ja nicht mehr rauchen. Ich ging überhaupt viel bewusster durch den Tag und vermehrt unter Leute. Ich mischte mich gerne unter mein Publikum, das über den Erfolg meines Unterfangens wachte.
Meine PR-Arbeit in eigener Sache zeigte indessen Früchte, mein mutiger Schritt wurde allmählich zum Gesprächsthema und ich nutzte jede Gelegenheit, um stolz zu verkünden: „Ich rauche nicht mehr!“
Und dann begann ich, meine Geschichte aufzuschreiben, was mir viel Konzentration und Aufmerksamkeit abverlangte. Das schriftliche Festhalten meines Weges aus der Sucht entpuppte sich bald als zusätzliche Quelle der Motivation mit einem beachtlichen therapeutischen Effekt, und der rasch wachsende Stapel Papier wurde zu einer Art Versicherung meines Vorhabens und lenkte mich auf ideale Weise von meinem alten Leben ab.
Stinkende Altlasten
Nicht-oder Nichtmehrraucher kennen das
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