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Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Titel: Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermine Pfrogner
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Essbarem, das wir uns ähnlich genussvoll in den Mund schieben können. Hauptsache, es entsteht ein oraler Reiz.
    Also Ersatzbefriedigung durch Essen?
    Ja.
    Belohnung durch Gaumenfreuden …
    Warum nicht?
    Haute Cuisine statt Nikotin!
    Klingt in der Tat verlockend, sehr verlockend sogar.
    Aber?
    Groß ist die Gefahr, sich kulinarisch zu verzetteln und den flüchtigen oralen Lustgewinn bald teuer zu bezahlen.
    Inwiefern?
    Man hört doch so oft von Leuten, die zwar ihre Sucht besiegt, sich damit aber ein neues Problem eingehandelt haben: Übergewicht! Oder von jenen, die das Rauchen gerne aufgeben würden, es aber aus Angst zuzunehmen doch nicht wagen.
    Es schmeckt aber auch schon die einfachste Speise verdammt gut, seit ihr kein Rauch mehr anhaftet.
    Das mag wohl sein.
    Vielleicht also wirklich Haute Cuisine statt Nikotin? Neue Lust am Essen. Schlemmen gegen den Entzug. Kochen als Beschäftigung für die unbeschäftigten Hände …
    Ja, aber vorsichtig, ganz vorsichtig.
    Lust und Vorsicht – wie geht das zusammen?
    Alles vom Feinsten bei wenig Kalorien, das wär’ doch ein Konzept.

Epikur und die Lehre von der Lust
    Seit jeher liebe ich ihn, Epikur, diesen Philosophen des griechischen Altertums, der den Menschen als lustbetontes Lebewesen definierte, was seiner Ansicht nach gar nicht weiter bewiesen werden müsse, weil es so sicher sei, wie man fühle, dass Feuer wärmt, Schnee kalt und Honig süß ist.
    Das Bedürfnis, Lust zu suchen und Unlust zu vermeiden, dominiere uns von Kindheit an und werde in der Jugend durch das Erwachen einer rationalen Einsicht allmählich kontrolliert und in stabile Bahnen gelenkt. Daseinslust und vernunftbegründetes Handeln seien ohne einander undenkbar, wie auch ein vollkommenes Leben ohne Lust nicht möglich sei.
    Dementsprechend riet Epikur den Menschen zu einem maßvollen Sinnengenuss, der dauerhafte Lustgefühle garantiere. Mit Gleichmut und Gelassenheit an das Leben heranzugehen und die vielfältigen Quellen der Lust zu nützen, das war in der Tat ein Konzept nach meinem Geschmack.
    Wer nie geraucht hat, wird mir jetzt vielleicht nicht folgen können, aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das Rauchen nicht nur einem erlernten Suchtmechanismus entspringt, sondern hauptsächlich durch das Streben nach Lustgewinn gesteuert wird und einen absoluten Genussfaktor in sich trägt. Sind wir erst einmal auf den Geschmack gekommen, rückt es in den Rang der vitalen Triebe, deren Befriedigung uns garantiert Lust verschafft. Das bisschen Sucht nehmen wir dafür gerne in Kauf.
    So gesehen ist es auch keineswegs verwunderlich, dass jemand, der gerade Abschied vom Nikotin genommen hat, unverzüglich Ersatz für den entgangenen Lustgewinn sucht, denn das Streben nach Genuss geht ja nicht verloren, nur eine der möglichen Quellen. Da Rauchen nun einmal mit starken oralen Reizen gekoppelt ist, entdecken viele Ex-Raucherinnen und Ex-Raucher plötzlich das Essen als neue Lustquelle und suchen im kulinarischen Angebot vermehrt jenen Kick, den ihnen früher die Zigarette verschaffte. Unterstützt wird dieser Seitenwechsel durch den Umstand, dass der Verzicht auf das Rauchen die Geschmackspapillen der Zunge von einer Art Dauergrauschleier befreit, der die Wahrnehmung gedämpft hat, und sie daher die Qualität des Essens jetzt wieder einwandfrei erschmecken können.
    Genuss und Sinnlichkeit tun sich also auf einer anderen Ebene auf. „Oraler Reiz“ oder „die neue Lust am Essen“ – wie auch immer wir es nennen wollen, ist im Grunde einerlei.

Mehr Geld im Börsel
    Die Frage nach einer passenden Belohnung beschäftigte mich nach wie vor, wenn es mir auch vorerst an einer wirklich zündenden Idee mangelte. Derweilen erfreute ich mich täglich an meinen nicht zu übersehenden und nicht zu überhörenden Fortschritten. Mein Teint schimmerte wieder rosig, der Husten war weg, ich roch so gut – ich rauchte nicht mehr! Mit neu erwachtem Geruchssinn und hypersensiblem Gaumen stürzte ich mich ins kulinarische Angebot. Ich aß zwar jetzt nicht wesentlich anders, nur das, was ich aß, mit viel mehr Genuss und in aller Ruhe. Die Sache mit dem oralen Lustgewinn war in der Tat nicht von der Hand zu weisen.
    Am Ende des Monats – ich war mittlerweile seit achtzehn Tagen rauchfrei – zeigte sich außerdem, dass ich noch viel mehr Geld im Börsel hatte als gedacht. Hocherfreut fing ich zu rechnen an: In letzter Zeit hatte ich gut und gerne zwei Päckchen Zigaretten am Tag gepafft. Zwei Päckchen,

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