Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
in der anderen Hand. Genüsslich sauge ich an ihr und fühle, wie das Nikotin meinen Körper durchströmt. Ich bin entspannt und glücklich. Niemand scheint sich daran zu stoßen, dass ich rauche.
Dann ein jähes Erstarren: Was tue ich da? Was geht hier vor?
Nein!
Ich rauche. Ich rauche! Ich rauche wieder!
Nein … Nein … Nein!
Die anderen umringen mich plötzlich, blicken mich vorwurfsvoll an, manche grinsen hämisch. Jetzt reden sie über mich, ihre Stimmen werden lauter, immer lauter und schriller … Es ist ein entsetzlicher Moment.
Sie haben mich beim Rauchen erwischt! O Gott!
Weg! Nur weg von hier!
Ich laufe auf die Straße, laufe, so schnell ich kann, laufe, laufe – und erwache mitten in der Nacht schweißgebadet und mit rasendem Puls.
In beängstigender Regelmäßigkeit narrte mich dieser Traum, und völlig geschafft von dem nächtlichen Geplänkel mit den Abgründen meiner Seele brauchte ich stets eine Weile, um wieder zur Ruhe zu kommen und in die Wirklichkeit zurückzufinden.
Du bist zu Hause, in deinem Bett, du bist in Sicherheit. Weit und breit keine Zigarette. Sorge dich nicht!
Erleichtert sank ich in die Kissen zurück. Nichts war geschehen. Es war alles gut. Ich hatte nicht geraucht. Da war nur wieder dieser böse Traum gewesen, diese Botschaft aus dem Unterbewussten, diese hartnäckige Stichelei meines Gedächtnisses.
Allmählich beruhigte sich mein Herz, der Schock war aber jedesmal so nachhaltig, dass mich der Albtraum noch tagelang beschäftigte. Alles in allem – er hätte ja wahr werden können, und das wollte ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Es dauerte fast ein Jahr, bis dieser Traum endlich verschwand, wahrscheinlich gleichzeitig mit der Angst, mein mutiges Vorhaben könnte noch scheitern. Heute sehe ich ihn auch als heilsame Botschaft meines Unterbewussten, als starke Mahnung, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, denn was ich ganz gewiss nicht mehr wollte, war die Rückkehr in mein altes Leben und in dieses Abhängigkeitsverhältnis mit dem Nikotin, das ich so lange für eine lustvolle Beziehung gehalten hatte.
Vanillekipferln und andere Versuchungen
Weihnachten nahte, das Naschen und Schlemmen hatte Hochsaison. Seit die einfachste Speise, da ihr kein Nikotinbelag mehr anhaftete, wie ein Gericht aus der raffiniertesten Haubenküche schmeckte, wurde ich immer neu verleitet, im Kulinarischen jene Belohnung zu suchen, die mir, wie ich meinte, für meinen bisher so erfolgreichen Kampf gegen das Nikotin längst zustand.
Nun bin ich zwar punkto Ernährung keine „Süße“, eher das Gegenteil, allerdings mit einer ganz großen Ausnahme: kein Advent ohne mindestens eine Vanillekipferlorgie – und das im wahrsten Sinne des Wortes! Mögen sich andere mit Lebkuchen, Kokosbusserln oder Rumkugeln die Magenwände verkleben, mich reizt nur eines: das unvergleichlich zarte Nussgebäck in der süßen Vanillehülle.
Für ein Vanillekipferl à la Mama vergesse ich jede Skrupel und da kann es schon vorkommen, dass ich mich meiner Leidenschaft so lange hingebe, bis eine starke Stimme in mir um Hilfe ruft und vehement einen Verdauungsschnaps verlangt, wenn nicht sogar zwei. Mein persönlicher Rekord liegt, glaube ich, bei 350 Gramm auf einen Sitz. Nach solch einer Orgie ist die Lust in der Regel befriedigt und es herrscht für ein Jahr wieder süße Enthaltsamkeit.
Diesmal hatte ich meinen Vanillekipferlberg besonders früh in Angriff genommen und war daher längst am Ende der Herrlichkeit, als noch nicht einmal die dritte Kerze brannte. Dafür konnte ich mich jetzt aber in aller Ruhe der Zusammenstellung des Weihnachtsmenüs widmen.
Irgendwie dachte ich in letzter Zeit nur noch ans Essen. Ich begann, Kochrezepte zu sammeln, kaufte einschlägige Zeitschriften, sah manchmal sogar die eine oder andere Koch-Show im Fernsehen, was mich früher mit Sicherheit nicht interessiert hätte, und verbrachte auch immer mehr Zeit in der Küche, um etwas Neues auszuprobieren. Wenn es mir dann schmeckte, gab ich mich so ungeniert dem Genuss hin, dass ich zu Weihnachten nur mit größter Mühe in mein zeitlos-elegantes Festtags-Outfit passte.
Mit dem Zunehmen ist es bekanntlich ein bisschen wie mit dem Altern. Man bemerkt es lange Zeit nicht, dann kommt ein Schub und man hat mit einem Mal zehn Jahre mehr auf dem Buckel, gemeinsam mit einer Menge neuer Falten oder einem bisher nie dagewesenen Bäuchlein, einem üppigeren Dekolleté und deutlich pralleren Schenkeln.
Ich litt eindeutig am
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