Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
meiner mangelnden Routine auf diesem Gebiet zuschrieb – bis die kritische Konsumentin in mir erwachte und ich endlich zu erforschen begann, was ich da eigentlich so alles kaufte:
Zuckererbsen aus Ägypten, Weintrauben aus Südafrika, Äpfel aus Neuseeland, Heidelbeeren aus Argentinien, Spargel aus Peru, Knoblauch aus China, Tomaten aus Italien, Gurken aus Griechenland, Pilze aus Ungarn, Schnittlauch aus Israel, Trockenfrüchte aus Thailand, Erdbeeren aus Chile … und die Liste war noch lange nicht komplett.
Knoblauch aus China und Schnittlauch aus Israel, das durfte doch nicht wahr sein!
Ich wollte mir erst gar nicht vorstellen, auf welch seltsamen Wegen diese simplen Gewürze bis in meine Gegend gelangt waren, und floh aus dem Konsumtempel, hinaus auf den Wochenmarkt, wo ich bei einem sehr netten jungen Mann landete, der mir auf meine bange Frage nach der Herkunft seiner Ware aufrichtigen Blickes versicherte, sie käme ausschließlich von den Bauern der Umgebung. Genau das brauchte ich jetzt!
Erleichtert füllte ich meine Taschen mit duftenden Früchten und knackigem Gemüse aus heimischer Ernte und am Abend, beim Genuss eines perfekt in die Jahreszeit passenden deftig-würzigen Chinakohlsalates, freute ich mich schon auf den ersten Bärlauch aus den Donauauen, den ersten Spargel aus dem Marchfeld und die ersten Paradeiser vom Bauernmarkt.
Zwar war die Sache nicht ganz so einfach und ich würde auch in Zukunft nicht umhinkönnen, die eine oder andere Banane oder Zitrusfrucht aus fernen Ländern zu beziehen, schon allein um mein Immunsystem in Schuss zu halten, der großen Schar der fragwürdigen Exoten würde ich aber ab sofort die winterlich-kalte Schulter zeigen und nur noch Geschäfte mit meinem neuen Verbündeten machen. Wie genau es dieser mit dem heimischen Angebot tatsächlich nahm, erfuhr ich bereits bei unserer ersten Begegnung, als ich ihn abschließend um eine Zitrone bat, die ich dringend für ein Fischgericht benötigte. Sofort hob er die Augenbrauen und blickte plötzlich ganz streng, als hätte ich die Lektion nicht verstanden. Das überzeugte mich restlos. Ich schulterte meinen schweren Vorratssack, versprach, bald wiederzukommen, und machte mich sehr zufrieden auf den Heimweg.
Und dann kam Petrini
Als mir tags darauf eine Einladung zur Verkostung regionaler Wurst-und Schinkenspezialitäten ins Haus flatterte, war das ganz offensichtlich Wasser auf meine neuen Mühlen und ich studierte neugierig das schlichte Schreiben mit einer putzigen Weinbergschnecke im Logo.
Slow Food … Slow Food … Das sagte mir etwas.
Aus den Tiefen meiner Erinnerung tauchten ein paar Bilder auf, ein Dorf auf einem Hügel, Weinberge rundum, irgendwo in Italien. Mehr hatte mein Gedächtnis im Moment nicht parat, aber die Sache interessierte mich und so beschloss ich, mir die Verkostung des Specks vom Mangalitza Schwein keinesfalls entgehen zu lassen und außerdem umgehend zu eruieren, welche Bewandtnis es mit der roten Schnecke hatte.
Es dauerte nicht lange, da führten mich meine Recherchen zu einem gewissen Carlo Petrini, quasi dem Vater der Schnecke, und dem Ursprung von Slow Food. Was ich bei meinen Nachforschungen sonst noch erfuhr, imponierte mir sehr und stimmte mich fröhlich, zeugte es doch vom Mut, der Kreativität und dem Humor des Herrn aus dem Piemont und dessen Freunden, die allesamt sehr genau zu wissen schienen, was sie taten.
Seit Mitte der 1980er-Jahre traf sich die muntere Schar passionierter Gourmets und Bürgerrechtler regelmäßig in einem Restaurant im norditalienischen Bra, um die Köstlichkeiten der lokalen Küche zu genießen und die aktuelle politische Lage zu diskutieren.
Als dann McDonalds sich anschickte, den Erdball mit seinen uniformen Pommes frites-und Burger-Buden zu überziehen, und sogar mitten in der Altstadt von Rom, an der Piazza di Spagna, ein Lokal eröffnen wollte, witterten Petrini und seine Gesinnungsgenossen die Chance, für ihre geliebte bodenständige Küche eine Lanze zu brechen. Wenn es Fast Food gibt, muss es auch Slow Food geben, witzelten sie, machten sich unverzüglich auf den Weg nach Rom und organisierten unter beachtlichem Medieninteresse aus Protest gegen das genormte amerikanische Einheitsfutter ein öffentliches Spaghetti-Essen auf der Spanischen Treppe.
Welch herrliches Bild! Da wär’ ich gerne dabei gewesen!
Der kulinarische Antigeist made in USA setzte sich dennoch durch, aber auch Petrini ließ nicht locker und konterte mit dem Manifest „zur
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