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Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Titel: Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermine Pfrogner
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Raucherfrühstück, zum Kaffee die erste Zigarette des Tages, ab in die Schule, noch schnell eine Zigarette vor der ersten Unterrichtsstunde, fünf Minuten Pause, eine Zigarette, auf in die nächste Klasse, fünfzehn Minuten Pause, zwei Zigaretten, eine Sprechstunde oder eine Freistunde, wieder Unterricht und so weiter bis zur Mittagspause. Ein Imbiss am Büffet, zwei Mal die Woche Nachmittagsunterricht bis 16 Uhr, ansonsten Vorbereitungs-und Korrekturarbeiten und dann war Schluss für den jeweiligen Tag.
    Im Sommer sah das Programm dann ungefähr so aus: Relaxen im Garten, mehrere Zigaretten, abends zu Hause oder Ausgehen, Restaurant-oder Heurigenbesuche, Freunde treffen, mindestens ein halbes Päckchen Zigaretten …
    Im Winter war ich Couch-Potato vom Feinsten. Lesen, fernsehen und rauchen. Im Warmen, in einer bequemen Pose, alle Rauchutensilien stets griffbereit, so nah wie möglich, um überflüssige Bewegungen zu vermeiden, eventuell ein Glas Rotwein dazu, das war nicht das Schlechteste. Da erhob ich mich eigentlich nur noch, wenn es unbedingt nötig war, zum Beispiel um Nachschub zu besorgen oder einen übervollen Aschenbecher zu leeren.
    Nun war das etwas anders: Trotz der Kälte dieser Tage zog es mich immer öfter hinaus in die bizarr erstarrte Winterlandschaft, wohl auch, weil meine Wohnung immer noch einen irritierend brenzligen Geruch verströmte, den auch meine hartnäckigsten Putzorgien bisher nicht restlos hatten entfernen können.
    Dazu kam, dass ich seit meinem ersten Schritt vor die Tür aus ausschließlich sportlichen Gründen irgendwie Lunte gerochen und der Rat meines Arztes gefruchtet hatte. Wieder war da der feste Wille, etwas zu ändern, und vor allem die Einsicht, etwas tun zu müssen, wenn ich den Barockengel möglichst bald loswerden wollte – und das wollte ich unbedingt. Noch einmal kam mir der Ehrgeiz zu Hilfe und die momentane Situation erinnerte mich stark an meine ersten Tage ohne Nikotin. So lüftete ich also immer öfter meine Lungen in der Natur und schlug bald einen schnelleren Schritt ein, denn es war im Moment wirklich bitterkalt.
    Power-Walking hieß das Zauberwort, die neue Gangart, die nicht nur in Windeseile die Kondition verbessern, sondern sich auch sehr gut dazu eignen sollte, als Unterstützung einer Diät die Kilos nur so purzeln zu lassen. Das wollte ich unbedingt ausprobieren!
    Meine alten Turnschuhe, meine viel zu engen Jeans und meine dicken Daunenjacken eigneten sich allerdings nicht für diesen Zweck, das hatte ich bereits festgestellt, also investierte ich zukunftsträchtig ein kleines Vermögen in atmungsaktive Kleidung und in extrem leichte Hiking-Boots, oder wie diese Wunderdinger mit schnelltrocknendem Innenleben auch hießen, die mich laut Garantie des Herstellers trittsicher über Stock und Stein tragen würden. Derart perfekt ausgerüstet, stürzte ich mich ins Abenteuer.
    Zwanzig Minuten flottes Marschieren für den Anfang … Couch-Potato addio!

Auf neuen Wegen ins neue Leben
    Die tägliche Bewegung wurde mir bald unentbehrlich. Brachte ich es früher höchstens auf kräfteschonende Schaufensterbummel oder beschauliche Spaziergänge im nahen Park, so musste ich nun täglich, wirklich täglich vors Haus und scheute auch nicht davor zurück, bei extremen Verhältnissen meinen Sinneswandel unter Beweis zu stellen. Es war schon erstaunlich, am eigenen Leib zu erfahren, wie schnell man alte Gewohnheiten ablegen kann, wenn die Motivation stimmt. Oft reicht schon ein kleiner, an sich unbedeutender Schritt und es öffnet sich eine neue Welt.
    Nicht nur, dass ich mich auf diesen täglichen Ausflug in die Natur freute, ich fand dabei auch wunderbar Zeit zum Nachdenken und bekam den Kopf frei vom Tagesballast.
    Allein für dieses neue Wohlbehagen hatte es sich gelohnt, das Rauchen aufzugeben. Die legendäre Freiheit des Marlboro Man, die mir so lange als Vorbild gedient hatte, erwies sich rückblickend als absoluter Irrweg, und die scheinbare Genusswelt des Rauchers war in Wahrheit eine von Sucht geprägte Welt voller Zwänge. Jetzt fühlte ich mich zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder wirklich frei.
    Wenn ich, als ich noch rauchte, das Haus verließ, hatte ich immer alles bei mir, was ich auf keinen Fall entbehren konnte: Zigaretten, Feuerzeug, beides meistens sogar doppelt – man weiß ja nie! – und natürlich ausreichend Geld, um jederzeit Vorrat besorgen zu können. Heute war das anders. Haustorschlüssel, Taschentücher, Handschuhe und mein

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