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Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Titel: Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermine Pfrogner
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loyal und gossen kein zusätzliches Öl ins Feuer. Keiner hat mir je eine Zigarette aufgedrängt, keiner hat je versucht, mich umzustimmen. Dafür bin ich ihnen heute noch dankbar.
    Sie waren einfach da gewesen, meine Zeugen, mein Publikum, an dem ich mich messen konnte. Vier Monate hatten sie nun schon über mein Vorhaben gewacht und mir Sicherheit gegeben. Jetzt war ich, wie mir schien, uninteressant geworden, was ich ihnen nicht einmal verdenken konnte. Wer fände es denn auch aufregend, auf die stets gleiche Frage „Rauchst du?“ einen stets kämpferisch funkelnden Blick und ein sehr bestimmtes „Nein!“ zur Antwort zu bekommen. Ziemlich langweilig, das musste ich zugeben.
    Anfangs war ich Gesprächsstoff gewesen, „die, die das Rauchen aufgegeben hat“, und natürlich ganz genau beobachtet worden. Aber mit der Zeit war mir der Sensationseffekt meiner Aktion abhanden gekommen, abgelöst durch anderes, was sich in meinem Umfeld gerade so tat.
    Und dennoch gab es sie auch jetzt noch, immer noch, trotz allem noch, die heiklen Momente der Versuchung, die Situationen, die für mich über Jahre, über Jahrzehnte mit der Lust zu rauchen gekoppelt gewesen waren und in denen ich mir sehr lange nicht hatte vorstellen können, es jemals zu lassen.
    Nach dem Frühstück, wenn mir der Kaffeeduft so angenehm in die Nase stieg und mich unweigerlich an seine ständige Begleiterin erinnerte … nach einem guten Essen … nach getaner Arbeit in entspannter Pose auf der Couch … in einer angeregten Diskussion, wo zündende Ideen nur so sprühten … ganz alleine vor dem Fernseher, wenn die Spannung stieg … und vor allem in meinem Lieblingscafé in der City, das sich kein bisschen dem neuen Trend angepasst hatte und wo die blauen Wolken immer noch so tief hingen, wie zu meiner Studienzeit.
    In solchen Momenten suchte ich stets Ablenkung, durch Arbeit oder Bewegung, Lektüre oder ein Gespräch, und was den blauen Dunst in Lokalen betraf, war ich nun schon so weit, dass ich ihn ohnehin mied, weil ich mich davor ekelte.
    Manchmal stellte ich mir auch ganz konkret vor, wie es wäre, das alte Ritual zu reaktivieren, sah mich wieder in Aktion, genüsslich zurückgelehnt, riechen, schmecken, fühlen … Aber immer rechtzeitig meldete sich mein Ehrgeiz, mein berühmter Ehrgeiz, der starke Wille, es zu schaffen, vor meinem Publikum nicht zu scheitern. Auf ihn war wirklich Verlass. So bewahrte er mich auch dieses Mal vor einem Rückfall und ich vermerkte in meinem Erfolgsprotokoll mit Stand 11. März: 120 Tage rauchfrei, 792 Euro gespart!

Gesegneter Ehrgeiz
    Es wird jetzt wohl Zeit, für einen Wesenszug eine Lanze zu brechen, den wir, vor allem wenn es darum geht, uns selbst zu beschreiben, eher ungern beim Namen nennen. Und doch ist er der stets laufende Motor, die starke Kraft im Hintergrund, die überall mitmischt und alles bewegt, besonders mich, wie mir scheint.
    Sobald wir uns in Gesellschaft begeben, taucht er auf und die grammatikalische Dimension des Komparativs kommt ins Spiel, für manche vom Leben besonders reich Beschenkten sogar der Superlativ.
    Es fängt schon bei den Kleinsten an: größer, stärker, schneller, schlauer, mehr Taschengeld, mehr Freunde. Später messen wir unsere beruflichen und materiellen Erfolge gerne an jenen unserer Mitmenschen, wollen haben, was der Nachbar hat, und schöpfen aus dem Erreichten einen gewissen Selbstwert. Wer es zu etwas gebracht hat, ist hochangesehen, wer da nicht mithalten kann, wird leicht als Loser abgestempelt.
    In meinem Fall lief das Spiel der Komparative ungefähr so: schlanker, schöner, glücklicher, weniger Kilos, mehr Lebensfreude. Und das alles noch dazu ganz ohne Nikotin. Gesegneter Ehrgeiz! Was wäre ich ohne ihn?
    Auf meinem Weg zur Nichtraucherin war er, neben meinem Publikum, mein treuester Gefährte gewesen und jetzt wachte er höchst kritisch über meine Rückverwandlung in die elegante Small-Ausführung meiner selbst. Er spornte mich unermüdlich an, fokussierte meine Aufmerksamkeit auf das Wesentliche, lud meine Batterien auf, wenn ich schlappmachen wollte, und stärkte mich mit der absolut überzeugenden Parole: Du schaffst das!
    Ich hatte mir eine autosuggestive Formel geschaffen, die nie ihren Zweck verfehlte. Was ich da betrieb, war eine Art Selbsthypnose, auf die ich sehr gut ansprach. Ich denke, dass jede Veränderung des Lebensstils, vor allem eine so einschneidende, überhaupt nur mit äußerster Entschlossenheit und dem Vertrauen in die eigene Kraft

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