Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
Vielleicht mit der Apothekervereinigung oder überhaupt gleich mit einem (finanziell) potenten Zeitungsherausgeber …
Ich konnte mich nicht recht entscheiden. Derweilen zog endgültig der Frühling ins Land, und der Barockengel geriet arg in Bedrängnis. Zusehends verlor er nun die für ihn so typischen Fettwölkchen und ging längst nicht mehr als gelungenes Zeugnis einstiger Prunkarchitektur durch.
Ich wog nun ungefähr vier oder fünf Kilos weniger und wieder war mein Publikum zur Stelle. „Du hast ja abgenommen!“, lautete der Satz, den ich jetzt besonders gerne hörte. Sie hatten es also schon bemerkt. Das freute mich, das freute mich sehr.
Bei meinen Schülern stand ich indes unter Dauerbeobachtung, seit ich ihnen keine rauchverseuchten Zettel mehr aushändigte. Ihren fallweisen Fragen und Kommentaren entnahm ich jedoch, dass sie durchaus noch mit einem Rückfall meinerseits rechneten und mir diesen auch gar nicht übelnehmen würden. Bei ihnen hätte ich also keinen Imageschaden zu befürchten. Das war eigentlich beruhigend, vielleicht aber auch nur logisch, immerhin waren sie selbst nie davor gefeit, trotz redlicher Bemühungen irgendwo zu scheitern.
Aber selbst vor diesem tröstlichen Hintergrund wollte ich mir ein Scheitern meines Vorhabens gar nicht erst vorstellen. So freute ich mich einfach über das Erreichte, und die täglich neue, lustvolle Erfahrung, dass Abnehmen ganz und gar nichts mit Verzicht zu tun haben muss, tat ein Übriges und hielt mich bei der Stange. Womit ich wieder beim Kern der Sache wäre: Es führt einfach kein Weg am oralen Lustgewinn vorbei, sei es nun durch Rauchen, Küssen oder Essen.
Drohgespenst Rückfall
Der lockere Umgang meiner Schüler mit dem Thema hatte mir wieder einmal bewusst gemacht, wie heikel meine Lage immer noch war und wie hoch das Risiko, schließlich doch noch zu scheitern. Die Gefahr eines Rückfalls in alte Gewohnheiten gehört offenbar zum Nikotinentzug und kommt wohl auch so häufig vor, dass praktisch jeder damit rechnet. Dies bewies sowohl die Haltung meiner Schüler als auch die Tatsache, dass dieses mögliche Scheitern in der Fachliteratur ausführlich behandelt wird.
Das gab mir natürlich zu denken. Zwar hatte ich mich mittels Zauberformel fest darauf eingeschworen, den Abschied vom Nikotin langfristig zu schaffen – was aber, wenn meine Schüler Recht behielten und ich vielleicht doch noch rückfällig wurde?
Ich nahm mir die Broschüre, die ich aus der Apotheke bezogen hatte, noch einmal vor, um zu sehen, wie Experten dieses Problem angingen. Die Broschüre war im Auftrag des Nikotininstituts von zwei Ärzten erstellt worden, die auf anschauliche Weise alle Aspekte der Raucherentwöhnung behandelten.
Im Falle eines Rückfalls, rieten sie, solle man vor allem ruhig bleiben, nicht verzagen oder vorzeitig die Flinte ins Korn werfen, sondern sich eher an das Motto halten: „Einmal ist keinmal.“
Um das Risiko weiter zu minimieren, empfehle es sich, neue Freizeitaktivitäten zu setzen, zum Beispiel Sport im Freien, spannende Ablenkung durch Konzert-oder Theaterbesuche, und grundsätzlich die Orte zu meiden, an denen geraucht wird. Den Umgang mit Rauchern, wenn möglich, vorübergehend überhaupt einzustellen, war ebenso ein Tipp wie sich kurzfristig zu erreichende Ziele zu setzen und von Zeit zu Zeit für Belohnung zu sorgen, etwa mit einem Blumenstrauß, einer CD oder einer Kinokarte.
Auch die Autoren dieser Broschüre rechneten also mit Rückfällen, die sie gar nicht erst dramatisieren wollten, sondern von vorneherein in ihre Entwöhnungstherapie einbezogen. Ich betrachtete diese Tatsache mit gemischten Gefühlen und hoffte mehr denn je, dass mir selbst ein Rückfall erspart bliebe, denn ich wäre außerstande gewesen, ihn zu bagatellisieren.
Es ergab sich bald eine Gelegenheit, diesen heiklen Punkt mit jenem Kollegen zu besprechen, den ich für seine Rauchgewohnheiten absolut bewunderte und den ich mir gerne als Vorbild genommen hätte, wäre ich dazu imstande gewesen, mich so zu kontrollieren, wie er es tat. Er rauche sehr gerne, wie er immer wieder betonte, aber er rauche nur selten, in ganz besonderen Momenten, ein halbes Päckchen in der Woche, allerhöchstens. Wenn ich das je geschafft hätte, würde ich vielleicht heute noch einen exklusiven Glücksmoment mit einer Lust-Zigarette krönen. Aber leider …
Zwischen dieser Ideallösung und meinen zwei Päckchen am Tag lag ein gewisser Unterschied. Also hatte ich einen radikalen
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