Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
gelingen kann.
So erwies sich die Idee, mein Vorhaben an die ganz große Glocke zu hängen, letztlich als Geniestreich, denn nichts wäre mir unerträglicher gewesen als unter den Augen einer insgeheim vielleicht sogar schadenfrohen Menge zu scheitern. Die Werbung in eigener Sache musste täglich den Wahrheitsbeweis antreten, tat dies auch und verbannte so jede peinliche Niederlage in das Reich der Fantasie.
Entspannt im Flieger
In meiner letzten Zeit als Raucherin stieß ich immer öfter auf Barrieren, wurde immer wieder von irgendwo verjagt und war bei immer mehr Gelegenheiten ganz offensichtlich unerwünscht, was mir ziemlich zu schaffen machte. Das mit Abstand Schlimmste waren jedoch Flugreisen.
Längst zogen nur noch sterile No-Smoking-Jets ihre Kondensstreifen rund um den Globus, aus Kostengründen randvoll gefüllt, getreu dem Motto „Je länger der Flug, desto enger die Reihen“, so dass ich nicht selten beim Essen mit dem Ellbogen einer Nachbarin zu kämpfen hatte oder, wenn ich mich ein wenig zurücklehnen wollte, prompt auf den Knien eines verständlicherweise wenig erfreuten Hintermannes landete. Sogar eine aufrechte Haltung war nicht unbedingt empfehlenswert, denn die Lehne des Vordersitzes konnte ebenso jederzeit gefährlich heftig ausschlagen.
Schon Tage vor einem Flug befiel mich ein mulmiges Gefühl, eine gewisse Unruhe, die sich angesichts der berechtigten Frage, wie ich die vielen Stunden ohne mein beruhigendes Nikotin wohl diesmal überstehen würde, bis zu Panik steigern konnte.
Und bloß ein paar Monate später …
Weit und breit nur Ruhe und uneingeschränkte Freude. Keine Nervosität, keine Anfälle von Klaustrophobie, keine Panik – nur tiefes, tiefes Wohlbehagen. Völlig entspannt saß ich auf 12 A und blickte durch eine ausnahmsweise sogar tadellos gereinigte Luke auf zauberhafte Landkarten mit deutlich erkennbaren Städten, Flussläufen und Meeresbuchten. Nach einem langen Blick ins Blaue bewunderte ich das schmale, beeindruckend grüne Bett des Nils, schwebte noch eine Weile über der Wüste und landete schließlich sehr sanft in Luxor.
Während sich meine Mitreisenden aus dem absolut erbarmungswürdigen Lager der Nikotin-Junkies längst von ihren Sitzen erhoben hatten, mit zittrigen Fingern an verbeulten Zigarettenpäckchen nestelten und allen Gesetzen der Logik zum Trotz durch die stehende Warteschlange zu den ohnehin noch geschlossenen Ausgängen drängten, als müssten sie über Leichen gehen, hatte ich alle Zeit der Welt, über Gelassenheit zu philosophieren.
Seit ich nicht mehr rauchte, fiel mir immer öfter die Getriebenheit der Raucher auf. In allem, was sie taten, lag eine gewisse Unruhe, sobald sie in öffentlichen Räumen auf die Ausübung ihres lustvollen Hobbys verzichten mussten. Auch ich war einmal eine solche Getriebene gewesen und hatte am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, abhängig zu sein. Mein neues Wohlbefinden ohne Rauchzwang war einfach unbeschreiblich, aber nichts lag mir ferner, als mich in die Angelegenheiten anderer einzumischen und sie mit meiner Überzeugung missionieren zu wollen. Ich bedauerte sie in gewisser Weise und war selbst einfach heilfroh, von der Zigarette losgekommen zu sein.
Welch Riesenirrtum zu glauben, Rauchen mache frei! Frei bin ich jetzt – Rauchen macht unfrei. Aber das merkt man ja erst, wenn man nicht darf.
Erfolgsbilanz und Horrorzahlen
Am Karsamstag feierte ich meinen 150. Tag ohne Nikotin, was allein schon Grund zum Jubeln gewesen wäre, zudem hatte ich aber auch noch ein höchst erfreuliches Plus von 990 Euro auf meinem Konto. Einer schnellen Kopfrechnung zufolge würde ich rein theoretisch im Laufe des Ostermontags die Schallmauer der 1000 Euro durchbrechen – so viel Erspartes in so kurzer Zeit!
150 Tage ohne Nikotin … Moment mal, da war jetzt mein Taschenrechner gefordert … 150 Tage, das hieß, dass ich in dieser Zeit bereits 6000 Zigaretten nicht geraucht hatte. Ich hatte 6000 Mal Verzicht geübt und immer freundlich und entschieden „Nein, danke!“ gesagt, meistens zu mir selbst. Ich staunte. Ich staunte sehr.
Mein Taschenrechner, der auch mit ganz großen Zahlen spielend umgehen kann, ermittelte mir blitzschnell einen Jahreskonsum von 14600 Zigaretten. Da ich ziemlich sicher war, schon seit etwa fünfzehn Jahren konstant zwei Päckchen am Tag verraucht zu haben, blinkte mir gleich die nächste Horrorzahl entgegen: 219000 Zigaretten!
Dazu kamen ebenso viele Jahre, in denen ich es auch schon auf 20
Weitere Kostenlose Bücher