Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
Euro – und das war noch nicht einmal der Endstand.
Die Aussicht auf Belohnung beschäftigte mich immer mehr und immer öfter verwickelte ich mich in spannende Sondierungsgespräche mit mir selbst.
Es müsste schon etwas Besonderes sein, etwas Ausgefallenes …
Eigentlich wünsche ich mir ja eine Ledercouch in einer dieser wunderschönen Erdfarben.
Das nennst du etwas Besonderes? Und außerdem: ausgerechnet eine Couch!?
Nicht gerade logisch, ich weiß. Aber die alte ist eben schon ziemlich …
Ach was!
Ein edles Schmuckstück vielleicht? Einen Ring oder eine Kette?
Spießig, viel zu spießig.
Einen Flachbildfernseher!
Couch-Potato lässt grüßen … Und du willst die Vergangenheit bewältigt haben?
Davon bin ich überzeugt.
Sieht im Moment nicht danach aus.
Etwas Schickes zum Anziehen? Ein Stück Luxus, den nicht jeder hat.
Keine schlechte Idee.
Einen Hosenanzug von Armani!
Armani … Dafür wird das Geld nun doch nicht reichen.
Glaubst du?
Da bin ich mir ziemlich sicher.
Dann also eine Reise! Einfach auf und davon …
Und ganz ohne Stress im Flieger.
Ja!
Abschied vom Sommer
Allmählich neigte sich dieser schöne, lange Sommer dem Ende zu und die Vorboten des Herbstes begannen sich zu häufen: die kürzeren Tage, die längeren Schatten, das fallende Laub, die kühleren Abende, die Feuchtigkeit, die ins Haus kroch …
Noch vor einem Jahr hätte mich der erste Kälteeinbruch, dieses hilflose Mitansehen-Müssen des Sterbens der Natur in die reinste Melancholie gestürzt, eine Grundstimmung, die mich stets durch den Winter begleitete, immer tiefer in die Dunkelheit hinein, um mich erst wieder zu verlassen, wenn die längste Nacht längst vorbei war und wieder Hoffnung auf einen neuen Frühling aufkeimte. Aber auch in diesem Punkt war diesmal alles anders.
Weit und breit kein Anzeichen einer Winterdepression, keine Trübsal, keine Wehmut. Draußen in der Natur fand ich noch genug Restlicht, das mich sogar wärmte und mit jedem meiner Schritte die Endorphine der Lust in mir aufwirbelte. Ich konnte gar nicht anders als den wenigen Menschen, die mir jetzt noch begegneten, zuzulächeln, sie zu grüßen und mir Zeit zu nehmen für ein kleines Gespräch. Man kannte einander mittlerweile.
Der elegante Herr, der bei jedem Wetter seiner schon etwas kränklichen Hündin ein paar Schritte abnötigte und mir immer ein so herzliches Lächeln schenkte, das stets vergnügte Paar im reiferen Alter, das so aussah, als hätte es schon viel miteinander erlebt, und das immer noch Hand in Hand der Zukunft zustrebte, der durchtrainierte Läufer im knappen Dress, der das perfekte Zusammenspiel seiner wohlgeformten Muskeln erkennen ließ – jede einzelne Begegnung und jeden Eindruck genoss ich.
So trug mich eine frohe Stimmung durch die Tage und ich nützte das sanfte Mittagslicht für meine unerlässlichen Ausflüge in die sich wandelnde Natur, warm verpackt und ganz ohne Schwermut.
Der Pawlow-Effekt
Je düsterer die Tage, desto bunter trieb ich es in der Küche. Das Essen wurde immer wichtiger, es war jedes Mal wieder ein Fest. Ich kochte für Freunde und Verwandte, für Stammgäste und zufällig Vorbeikommende und natürlich vor allem für mich selbst. Wer immer über meine Schwelle trat, konnte damit rechnen, dass es eine neue leichte Köstlichkeit zu probieren gab und ich auf diese raffinierte Weise wieder einmal versuchen würde, meinen Gast von dem zu überzeugen, woran ich selbst fest glaubte. Einen gewissen Hang zur Pädagogik konnte ich wirklich nicht leugnen.
Ich hatte viel von Petrini gelernt. Subtile Gaumenfreuden und deren nachhaltige Zubereitung bestimmten nun mein Denken und Handeln und hatten die Lust aufs Rauchen längst verdrängt. In meinen früher nikotinverseuchten vier Wänden dominierten nun herrliche Düfte – allen voran eine Mischung aus feinen Gewürzen, Zwiebel und Knoblauch, wenn gerade eine Suppe auf dem Herd vor sich hin köchelte – und die Nase durfte sich stets noch vor dem Gaumen freuen. So geriet ich immer mehr in den Bann meiner Genussrezepte und agierte oft wie ferngesteuert von meinen eigenen Erwartungen, ein klassischer Fall von Konditionierung also.
Unwillkürlich musste ich an Pawlow denken, den berühmten russischen Physiologen und Spezialisten für Verdauungssäfte aller Art, der eines Tages auf die kuriose Idee kam, während der Fütterung seines Hundes öfters mal einen Glockenschlag ertönen zu lassen, bis dieser bei dem Tier, das wohl nicht wusste, wie ihm
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