Die neue Menschheit
Nahrung suchen. Es war schwer zu denken. Er würde später denken.
Er hielt sich im Schatten, schützte seine nackte Haut. Langsam bewegte er sich durch das Grün. Er fand Dinge mit den Augen, teilte sie in Kategorien. Er berührte sie mit den Fingern, spürte ihre Beschaffenheit. Er kostete vorsichtig, ohne zu schlucken. Rinde. Holz. Gras. Stein. Blatt. Fast! Die Blätter gingen, falls er nichts Besseres fand. Er würde daran denken.
Er fing einen schwarzen Käfer, daumengroß. Er steckte ihn in den Mund. Er spürte, wie er darin herumkrabbelte. Er zermalmte ihn mit den Zähnen. Dicker Saft. Er wollte ihn ausspucken, überlegte es sich jedoch. Er schluckte ihn hinunter. Er würde viele Käfer brauchen, um satt zu werden. Er war nicht erfreut über diese Aussicht. Er suchte weiter.
Dort. Farbe. Orange. Hing von einem Busch-Baum. Rund. Er pflückte die Frucht, roch daran, drückte sie mit den Fingern. Weich. Er biß ein Stück ab. Zweierlei Beschaffenheit. Feste Schale, sauer. Faserig weich innen. Süß!
Er aß sie. Dreierlei Beschaffenheit! In dem faserigen Innern waren kleine harte Dinge. Ohne Geschmack, aber nicht unangenehm. Er mußte sie gut kauen … Er pflückte weitere Früchte, sammelte sie auf einem Haufen. Er setzte sich daneben und verschlang sie. Sein Bauch füllte sich. Seine Finger klebten zusammen. Ein großer oranger Fleck färbte seinen Mund.
Er warf den Kopf zurück und lachte.
Er schaute sich um, wurde sich plötzlich bewußt, daß er nicht allein war. Andere beobachteten ihn. Da waren Laute.
Er knurrte warnend, beschützte seine Nahrung.
Der gleiche Wie-er, der am Bach gewesen war, kam auf ihn zu. Der Wie-er fletschte die Zähne, knurrte.
Er stand auf. Er war voll Nahrung und Machtgefühl. Er ging dem Wie-er entgegen. Er fühlte sich flink, selbstsicher.
Er packte den jungen Wie-er mit seinen starken, klebrigen Händen. Er hob ihn hoch über den Kopf. Der Wie-er machte ein lautes Geräusch. Er schleuderte ihn zu Boden. Das Geräusch verstummte. Er atmete schwer. Er wischte sich den klebrigen Mund ab. Er fühlte sich ein wenig zittrig. Er kniete sich nieder und berührte den gefallenen Wie-er. Er knurrte sanft, ohne Drohung. Er wußte nicht, was er tun sollte. Er hatte gehandelt, ohne zu denken, hatte auf eine Herausforderung reagiert. Nun mußte er mehr tun. Aber was …
Er wartete. Keine Eingebung. Er überlegte. Er hatte gegessen. Sein Bauch war voll. Andere hatten Hunger. Er stand auf, pflückte weitere der orangen Früchte. Er gab sie auf einen Haufen und ging weg. Er deutete, machte sanfte Geräusche.
Die anderen rührten sich nicht. Sie warteten lange. Schließlich näherten sie sich der Nahrung, einer nach dem andern. Vorsichtig, zunächst, aßen sie. Sie gewannen Selbstvertrauen. Sie pflückten selbst Früchte von den Busch-Bäumen. Sie lachten und schrien und achteten nicht auf den gefallenen Wie-er.
Er empfand – etwas. Befriedigung. Sorge. Stolz. Zweifel. Er trat zu dem reglosen Wie-er. Er hatte ihm einmal geholfen. Er würde es noch einmal tun. Er versuchte die einzige Behandlung, die er kannte.
Er hob ihn auf und trug ihn zum Wasser. Er warf ihn hinein. Der Wie-er spuckte und zuckte. Er zog ihn ans Ufer. Er war froh, daß der Wie-er nicht aufgehört hatte.
Er pflückte ein paar Früchte und drückte sie dem Wie-er in die Hand. Er murmelte sanft. Er blickte den Wie-er an. Er wollte, daß er verstand. Vorbei. Nichts zu befürchten. Erklären.
Er konnte es nicht. Er konnte nicht einmal sich selbst verstehen. Er konnte sich nicht mitteilen. Frustriert ging er weg.
Er spürte eine Bewegung im Grün. Die Äste schaukelten. Wind! Warm, aber kühl auf seiner Haut. Er fragte sich, was den Wind machte. Es gab soviel zu entdecken.
Er wollte zum Anfang zurückkehren, wollte es wiedersehen. Es war wichtig, daß er diesen Platz verstand. Seinen Platz.
Er erinnerte sich an das Blenden. Die Hitze. Den Schmerz. Aber er ging. Er folgte seinem Pfad. Das Grün bot ihm Schatten. Er kam zum Licht. Es tat seinen Augen weh. Er blinzelte.
Dort draußen in der flimmernden Helligkeit. Dort draußen in der sengenden Hitze. Wie konnte er von einem solchen Ort gekommen sein? Was hatte er dort gemacht? Und zuvor?
Nichts. Leere. Es gab kein Zuvor.
Nach einer Weile konnte er weit sehen. Es blendete nicht mehr so sehr. Riesig. Gewaltig. Frei. Eine sanftwellige Ebene. Hohes verdorrtes Gras. Stellenweise kahles Braun. Ein paar Stellen mit hohem Grün. In weiter Ferne, weiter als er je gesehen
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