Die neue Menschheit
Die Last spürte er nur im Herzen.
Er war sich bewußt, daß er nicht gerade eine heroische Figur machte, wie er so durch den Schlamm rutschte und stapfte, bachabwärts, dicht am angeschwollenen, kalten Wasserlauf. Er war müde, naß und fühlte sich elend. Die Zweifel, die er nicht auszudrücken wagte, quälten ihn. Die Menschen, die ihm im Gänsemarsch folgten, waren bedrückt und stumpfäugig. Aber sie folgten.
Er hatte getan, was er konnte. Am Ende ihrer Reise wartete ein wärmendes Feuer auf sie, um das Regenfreund sich kümmerte. Nahrung lagerte bereits dort, einschließlich geräuchertes Dörrfleisch.
Die Gebeine waren an Ort und Stelle.
Ihr neues Zuhause würde ein wahres Paradies sein. Aber es war am Ende des anstrengenden Marsches, und es war noch ein weiter Weg bis dorthin. Der Exodus begann ja gerade erst.
Er wußte nicht, ja konnte es nicht einmal abschätzen, wie nahe das Verbindungsschiff war. Es mochte Stunden oder Wochen, ja Monate oder Jahre entfernt sein. Er hatte nur dieses Gefühl, das ihm sagte, es sei nahe.
Er hoffte, es würde bald kommen. Wenn nichts geschah, würde er Schwierigkeiten mit seinen Leuten haben.
Visionen und Offenbarungen waren ja schön und gut, und er schmeichelte sich, daß er es recht geschickt gemacht hatte. Aber wenn Visionen wirkungsvoll sein sollten, mußten sie sich auch erfüllen. Wenn man ein Wunder versprach, konnte man es nicht ewig hinauszögern. Der gleiche Trick würde kein zweitesmal funktionieren.
Wenn das Schiff nicht kam …
Er verdrängte den Gedanken. Er hatte schon so genug Sorgen.
Er spürte den Unmut der Leute hinter sich. Er spürte ihn als Feindseligkeit im Rücken. Er bemühte sich, mit seiner Haltung Zuversicht auszustrahlen, ein gutes Beispiel zu setzen. Das war gar nicht einfach, wenn die Füße im Schlamm rutschten und die beißende, nasse Kälte in ihn drang. Selbst Dieh grollte ihm. Sie war dagegen, Ohnenamen aus dem warmen Nest zu nehmen und diesem furchtbaren Wetter auszusetzen.
Es war natürlich für alle Kinder schlimm. Wenn ihm der Marsch schon schwerfiel, wie mußte es da erst für sie sein? Nur sein Sohn war voll Vertrauen und unbeschwert. Er war kräftig und eifrig, lebhaft wie ein unternehmungslustiges Hündchen. Er empfand das Ganze als aufregendes Spiel. Er machte einen Ausflug mit Daddy zu einem Ort, wo er noch nie gewesen war. Und nicht nur das: er durfte die ganze Nacht aufbleiben!
Es hatte seine Vorteile, ein Kind zu sein, wenn man gesund war. Varnum konnte über die Energie und Begeisterung des Jungen nur staunen.
Der Unterschied zu dem dünnen, zitternden Bündel auf seinen Armen war gewaltig. Er fühlte die müde Zerbrechlichkeit von Ohnenamen und ihren Mangel an Lebenswillen. Er versuchte, sich über sie zu beugen, um sie besser schützen zu können, drückte sie fester an sich, um ihr mehr seiner Körperwärme zu geben.
»Komm, Baby«, flüsterte er. »Gib nicht auf.«
Seine Worte verloren sich im Pfeifen des Windes. Der feine Regen durchnäßte ihn völlig. Wasser tropfte von seinem zotteligen Haar und rann ihm in eisigen Bächen über den Rücken. Er konnte sich nicht erinnern, daß ihm je so kalt gewesen wäre.
Er hatte vorgehabt, bei Anbruch der Nacht Rast zu machen, eine Art Lager aufzuschlagen, damit die Leute sich ausruhen konnten. Aber daraus wurde nichts, es war zu naß, zu kalt und es stürmte fast unerträglich. Wenn sie jetzt rasteten, würden viele nicht mehr aufstehen können.
Eine Verkennung der Umstände! Ein verdammter Fehler. Ein Fehler, der sich als tödlich erweisen konnte.
Er würde sie auf Trab halten müssen und sich selbst ebenfalls. Der einzige Ort, wo sie sich ausruhen könnten, war am Ende des langen Marsches.
Wie weit entfernt war es von ihrem alten Lager?
Einen Tag, eine Nacht, noch einen Teil eines weiteren Tages.
Und sie hatten noch nicht einmal die Hälfte des Weges zurückgelegt! Verzweifelt und mit voller Absicht beschleunigte Varnum seinen Schritt. Er griff auf eine Taktik zurück, die ihm schon einmal geholfen hatte, als er sehr müde gewesen war und noch einen sehr weiten Weg vor sich gehabt hatte. Er hielt die Augen auf den schlammigen Pfad und blickte nur selten hoch. Er konzentrierte sich einzig und allein darauf, einen vor Kälte halb starren Fuß vor den anderen zu setzen. Auf diese Weise staunte er bei jedem Aufblicken, wie weit er gekommen war. Richtete er jedoch den Blick auf ein fernes Ziel, hatte es den Anschein, als käme er überhaupt nicht voran.
Er sagte
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