Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)
Parteien. 1970 betrug die Frauenquote in der CSU zehn Prozent, in der CDU 13.6 Prozent, in der FDP 15 Prozent, in der SPD 17.3 Prozent. Bis 1990 hatten sich die Quotenanteile aber deutlich verbessert. Die CSU kam jetzt auf 17, die CDU und die FDP erreichten 25, die SPD 29 Prozent; allein bei den Grünen erzielten sie 39 Prozent. Der Aufstieg in der Funktionärshierarchie gelang Frauen aber immer noch ziemlich selten. In den Gewerkschaften sah die Zusammensetzung – trotz der gestiegenen Erwerbsquote der Frauen – ganz ähnlich aus. 1988 waren dort nur 25 Prozent der erwerbstätigen Frauen Mitglieder (bei den Männern immerhin 43 %). Im Bundestag und in den Länderparlamenten ist die Anzahl der weiblichen Abgeordneten trotz der heftigen Quotendebatte auffällig klein geblieben. Dagegen drückte sich die Umwerbung der Wählerinnen in einem klaren Frauenaufstieg in die Bundesvorstände der Parteien aus. In der SPD kamen Frauen immerhin auf 42, in der CDU selbst jetzt nur auf 28 Prozent. Auch in den Ländern war es den Frauen bis 1990 gelungen, 46 von 172 (27 %) Ministerämter für sich zu gewinnen.
Das Beharrungsvermögen patriarchalischer Strukturen in der Politik hing aber auch mit dem Nachteil zusammen, dass es rund zwei Jahrzehnte lang keine aktive, politisch vorwärtsdrängende Frauenbewegung als Motor der Veränderung gab. Zwar schlossen sich 1969 Hunderte von Verbänden mit etwa zehn Millionen Mitgliedern im «Deutschen Frauenrat» zusammen, doch diese nur äußerlich imponierende Massenorganisation führte ein politisches Schattendasein. Die «Neue Frauenbewegung» einer jüngeren, von der feministischen Kritik erfassten Generation entfaltete sich erst in den 70er Jahren. Sie war zum Teil ein Erbe der antiautoritären 68er-Bewegung, zum Teil das Ergebnis von Konflikt- und Beschleunigungsprozessen. Sie drängte auf das neue sozialliberale Scheidungsrecht, das an die Stelle des Verschuldensprinzips das Zerrüttungsprinzip zu einer Zeit setzte, als die Scheidungsrate von 1962 = zehn Prozent bis 1971 auf 23 Prozent gestiegen war. Die sozialliberale Reform des Familien-, Ehe- und Scheidungsrechts brachte 1977 eine grundlegende Verbesserung, da das Partnerschaftsmodell gegen die herkömmliche Hausfrauenehe durchgesetzt wurde.
Inzwischen hatten Aktivistinnen der neuen Frauenbewegung zahlreiche städtische Frauenzentren gegründet, Aktionen, Ausstellungen und Feste veranstaltet. Überhaupt bemühten sie sich, den Forderungskatalog des ersten großen Bundesfrauenkongresses, der 1972 in Frankfurt abgehalten worden war, in politische Maßnahmen zu übersetzen. Dabei ging es um die Erleichterung der Teilzeitarbeit, den gleichen Lohn für gleiche Arbeit, das Babyjahr für Mütter und Väter, die Streichung des § 218, die Verwirklichung weiblicher Autonomie. Wie mühselig sich der politische Nahkampf auch erwies, führte der Politisierungsschub seit den 70er Jahren doch zu einer spürbar verbesserten Annäherung an die Gleichstellung, wie das die Gesamtbilanz um die Jahrhundertwende erweist. So unübersehbar dieser Erfolg der Schwungkraft der neuen Frauenbewegung zu verdanken ist, bleibt doch die dynamisch vorwärts treibende, dauerhafte Aktivität einer Vorkämpferin der Frauenemanzipation wie Alice Schwarzer mit ihrer Zeitschrift «EMMA» anzuerkennen, die über Jahrzehnte hinweg dieser Bewegung kräftige Impulse gegeben hat.
4. Wenn auch in der Arbeitswelt, im Bildungswesen und in der Politik innerhalb weniger Jahrzehnte durchgreifende Verbesserungen zugunsten der Frauen durchgesetzt worden sind, ohne doch die Traditionsrelikte vollständig überwunden zu haben, bleibt offenbar die Rollenzuweisung in der Familie oder Lebenspartnerschaft «sehr zählebig» auf überkommene Muster fixiert. Ein dauerhafter Wandel ist im Grunde nur vorstellbar, wenn sich zum einen eine andere Arbeitsteilung durchsetzt, der zufolge Männer ungleich intensiver als bisher in die Kindererziehung und Hausarbeit einbezogen werden. Zum anderen müsste es zu einer großzügigen (aber auch kostspieligen) Delegation der Familienarbeit an Hilfskräfte und zu einem optimierten Technikeinsatz kommen. Die erste Variante ist deshalb schwierig zu verwirklichen, weil sich Väter eher für eine – auch dann noch arg begrenzte – Kinderbetreuung als für die Haushaltsführung entscheiden. Noch immer sind es nur 20 Prozent der Männer, die ihren Frauen gelegentlich helfen. Waschen, Kochen, Bügeln, Säubern – das bleibt immer noch zu
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