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Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition)

Titel: Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland (Beck'sche Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Wehler
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korrigierende Art weiter auswirken.
    Vier Komplexe: Arbeit, Bildung, Politik und Familie lohnen die Erörterung.
    1. Traditionsgeheiligte Männerprivilegien sind seit jeher mit einer starren Resistenzkraft auch im Berufsleben gegen eine aktive Frauengleichberechtigung verteidigt worden. Auch deshalb verkörpert die voranschreitende «Feminisierung der Arbeitswelt» am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts «eine der größten sozialen Veränderungen» der Epoche seit 1945. Die Erwerbsquote der 15- bis 60-jährigen Frauen stieg zwar von 1950 bis 1980 nur von 44.4 auf 52.9 Prozent, bis 2000 aber immerhin auf 62 Prozent, die Quote der verheirateten Frauen auf 48.3 Prozent. Allein der Anteil der Angestellten und Beamtinnen kletterte in der Zeitspanne bis 1980 um 250 Prozent in die Höhe, so dass er 56 Prozent aller weiblichen Berufstätigen ausmachte. Allerdings übten 38 Prozent der erwerbstätigen Frauen eine Teilzeitbeschäftigung aus, um die Anforderungen von Beruf, Familie und Kindern leichter verbinden zu können.
    Im Arbeitsleben trafen Frauen weiterhin auf geschlechtsspezifische Arbeitsmärkte, welche ihre Zugangschancen begrenzten. So waren etwa 1990 nur 40 Prozent der Azubis junge Frauen, die eine Lehrstelle fanden. Frauen standen sich vor allem schlechter wegen der grundgesetzwidrigen ungleichen Bezahlung für die gleiche Tätigkeit, wegen ihrer Arbeitsplatzbedingungen, ihrer Arbeitsplatzunsicherheit, ihrer Aufstiegschancen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf blieb ganz so erschwert wie die Rückkehr in den Beruf nach der Kleinkindphase. Zwar hat sich in den letzten Jahren der Einkommensabstand bei Männern und Frauen bei einer Vollerwerbstätigkeit etwas verringert, doch ist er noch immer unübersehbar vorhanden. 1990 verdienten weibliche Angestellte im Durchschnitt 71 Prozent, Arbeiterinnen 74 Prozent des Bruttoverdienstes von Männern im selben Beruf. Der Bruttostundenlohn von Arbeitern und Arbeiterinnen verhielt sich 1950 wie 0.73 zu 0.44, 1990 aber wie 10.82 zu 7.92 DM, die Bruttomonatslöhne von Männern und Frauen im Angestelltenstatus 1960 wie 370 zu 207, 1990 wie 2579 zu 1968 DM. Inzwischen beträgt der Abstand zu den Männern immer noch 21 Prozent. Generell wurden Frauen in der Industrie in die schlechter bezahlten Leichtlohngruppen eingestuft. Während dort 20 Prozent der Männer ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 2600 DM verdienten, erreichten nur vier Prozent der Frauen diese Höhe.
    Ein Dilemma der Frauenarbeit trat auch in dem Umstand zutage, dass Frauen überproportional häufiger, nämlich zu 90 Prozent, sich in bestimmten, oft auch krisenanfälligeren Berufszweigen zusammenballen: als Bürokräfte und Verkäuferinnen, in der Textilverarbeitung und in den Pflegediensten. Dagegen waren nur 1.3 Prozent in sogenannten männlichen Berufen wie dem des Kfz-Mechanikers, Elektroinstallateurs, Maschinenschlossers tätig.
    In der Verteilung auf die einzelnen Sektoren ist der dominante Trend seit 1950 nicht zu übersehen. Waren anfangs noch 32.5 Prozent der erwerbstätigen Frauen in der Landwirtschaft, fast ausschließlich als «mithelfende Angehörige», beschäftigt, kamen sie bis 1980 nunmehr auf sieben Prozent, und auch dieser Anteil schrumpfte noch unentwegt weiter. Währenddessen stieg in der Industrie der Anteil von 24.8 auf 29.6 Prozent im Grunde genommen erstaunlich geringfügig an, doch im expandierenden Dienstleistungssektor wuchs er von 31 Prozent um das Doppelte auf 63.4 Prozent. Selbstständige standen sich am Besten, aber Frauen stellten nur vier Prozent von ihnen und erreichten auch dort nur 82 Prozent des Männerverdienstes.
    Die Lohn- und Gehaltshöhe bestimmt im deutschen System der sozialen Sicherheit im Allgemeinen die Renten- und Pensionshöhen. Auch in dieser Hinsicht werden Frauen, die häufig nicht die versicherungspflichtige Arbeitszeit von 40 Jahren erreichen, krass benachteiligt. So erreichten etwa männliche Angestellte bis zur «Wende» eine Monatsrente von 1459 DM, weibliche dagegen von nur 688 DM. Arbeiter kamen auf 1052 DM, Arbeiterinnen auf 377 DM. Witwen ohne eigene Rente erhielten nur 60 Prozent der Rente des Ehemanns, obwohl ihre Ausgaben nach seinem Tod nachweislich nur um 27 Prozent sanken. Deshalb ist jeder vierte Sozialhilfeempfänger eine mehr als 60 Jahre zählende Frau. Zusätzlich zu dem Einkommens- und Rentenproblem werden Frauen auch durch ein höheres Arbeitsplatzrisiko bedroht. In den 70er und 80er Jahren, mithin

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