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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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gedachten des Opfers – und verlangten ultimativ eine harte Bestrafung sowie neue Gesetze und ein Umdenken der Gesellschaft. Als die Zahl der Demonstranten in die Hunderttausende ging, reagierte zumindest die Justiz und trieb den Prozess gegen die mutmaßlichen Täter voran, versprach besseren Schutz vor Übergriffen. Die Regierung schwieg noch immer. Rahul Gandhi verpasste eine Chance mehr, sich mit einer entscheidenden Rede als künftiger Führer des Landes zu positionieren. Premier Singh, inzwischen über achtzig, wirkte kraftlos, ausgelaugt. Und spät, sehr spät erst, fand Sonia Gandhi, die Chefin der Kongress-Partei, die richtigen Worte: »Als Frau und Mutter werde ich mit aller Macht der Gesetze für die Sicherheit der Frauen im Land kämpfen.« Andere nahmen das Recht in die eigenen Hände. Im nordöstlichen Bundesstaat Assam verprügelten Dorfbewohnerinnen eigenhändig einen lokalen Politiker, der sich an einem Mädchen vergriffen hatte, und schleppten ihn dann zur Polizei. In einem der rückständigsten Teile des Landes, der Region Bundelkhand in Zentralindien, stellte die nach ihren rosaroten Saris benannte »Pink Gang« Vergewaltiger bloß und führte Kontrollgänge durch. Gegründet wurde die Gruppe von einer jungen Frau, die mit 13 verheiratet wurde, mit 15 ihr erstes Kind bekam.
    Bis heute bleibt unklar, ob sich die Einstellung der Inder zur Rolle der Frau schon grundsätzlich geändert hat. Oder ob weiterhin gilt, was die Autorin Sagarika Ghose schrieb: »In Indien herrscht aufgrund unserer althergebrachten Vorstellungen eine tief empfundene Furcht und ein fast pathologischer Hass gegenüber Frauen, die mehr sein wollen als nur Mutter und Ehefrau.« Indira Gandhi und Sonia Gandhi werden dabei offensichtlich ausgenommen. Könnte künftig Priyanka Gandhi, Studentin des Buddhismus, Ehefrau eines Geschäftsmanns und Mutter zweier kleiner Kinder, eine ähnlich wichtige Rolle in der Politik spielen?
    Eine Weile sieht es so aus, als setze die Kongress-Führerin auf ihre Tochter. Viele im Land halten sie und nicht Sohn Rahul für das political animal in der Familie, und Priyanka organisierte auch schon mehrere Parteikampagnen. Doch ein hohes Amt passt derzeit nicht in ihre Lebensplanung. Und so entscheidet sich Sonia Gandhi, im Herbst 2011 von einer schweren Krebsoperation genesen, für den Sohn. Von der Partei und dem Premierminister wird ihm ein Kabinettsposten seiner Wahl angetragen. Aber Rahul zögert. Er will zunächst einmal bei einer Regionalwahl seine Popularität testen, ausgerechnet in Uttar Pradesh, dem bevölkerungsreichsten und wichtigsten Gliedstaat, in dem der Kongress schon mehrfach eine Abreibung bekommen hat. Gegen den Rat der Freunde – und wohl auch der Familie – stürzt er sich im Frühjahr 2012 in den Wahlkampf. Wirbt für mehr soziale Gerechtigkeit, verspricht höhere Löhne, 211 Veranstaltungen in 48 Tagen, mit Helikopter und Tourbus. Überall schlägt dem ernsthaften, aber eher hölzern wirkenden Mann Anfang vierzig höfliches Interesse entgegen, Begeisterung vermag er nicht zu wecken. Zwar wird am Ende die korrupte Regionalchefin, die bisher die meisten Stimmen innehatte, mit großer Mehrheit abgewählt. Aber der Sieger heißt nicht Rahul Gandhi. Er kommt nur auf Platz vier, kann den Anteil der Abgeordneten nur von 22 auf 28 steigern, bei einer Gesamtzahl von über 400.
    Nach dem sehr mäßigen Abschneiden in der Provinz, für das er immerhin mannhaft die volle Verantwortung übernahm, glaubten viele, Rahul Gandhi werfe das Handtuch und ziehe sich aus der großen Politik zurück. »Ist er eine politische Null?«, fragte Outlook provozierend. Ausgerechnet Rahul hat sich dann in mehreren Interviews gegen »Erbhöfe« in der Politik ausgesprochen und seiner Partei geraten, sich »zu demokratisieren«. Dem starken Druck der Mutter vermag er sich dann aber doch nicht zu entziehen. Im Januar 2013 lässt er sich zum Vizepräsident des Kongresses ernennen, zur Nummer zwei hinter ihr. Eine Selbstbeförderung, die eigentlich nur Sinn ergibt, wenn er 2014 auch den ganz großen Sprung wagt, die Spitzenkandidatur seiner Partei übernimmt und das Amt des Premiers anstrebt. Nach seinem Urgroßvater Pandit Nehru, seiner Großmutter Indira Gandhi und seinem Vater Rajiv Gandhi wäre er der Vierte aus der Familie in diesem Job – weltweit einmalig für eine Demokratie.
    Aber kann der große Name es noch einmal richten, kann der Mythos der indischen Kennedys Rahul ins Amt tragen? So wenig er einen

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