Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
fand, erstaunlich euphorisch über Bhagwan geäußert. (Bald darauf wurde Andy zu »Swami Satyananda«, gab den Journalismus auf, zog nach Poona und schrieb seinen Bestseller Ganz entspannt im Hier und Jetzt ; bis heute ist Elten glühender Verehrer geblieben und bringt jetzt in Seminaren Top-Manager zu Höchstleistungen.) Ich fand den Bhagwan einen seltsamen Heiligen, seine Lehren obskur, seine Anhänger eine merkwürdig neurotische Ansammlung verzweifelt lustiger Sinnsuchender. Die meisten waren zwischen 20 und 35 Jahre, in der Überzahl Akademiker und politisch im linken Spektrum.
Der Mann aus dem indischen Bundesstaat Madhya Pradesh, ältestes von elf Kindern eines Tuchhändlers, belesener Philosophiedozent und selbsternannter Erleuchteter, konnte manchmal sehr originell sein. Vor allem wenn er zu einem vergleichenden Streifzug durch die Religionen startete und sie alle in Grund und Boden kritisierte. Sein Umgang mit Größen der Zeit war, vorsichtig gesagt, unkonventionell und oft auch erfrischend: Er zitierte ohne Scheu Sartre und Sokrates in einem Atemzug, auch schon mal Martin Heidegger und Bob Hope. Und für viele seiner leicht verklemmten Jünger, die sich als Zeichen der Zugehörigkeit eine Mala – eine Kette mit 108 Rosenholzkugeln mit einem Bild des Meisters in der Mitte – umhängten und sich in rote Roben kleideten, hatte seine Lehre von der Lockerheit in Sachen Sex sicher etwas Befreiendes, Entspannendes. Aber gleichzeitig predigte Bhagwan (»der Erhabene«) Intoleranz gegen Minderheiten, nannte Homosexuelle »krank und menschlichen Abfall« und plädierte dafür, körperlich und geistig Behinderte zu euthanisieren. Außerdem gab es Berichte, in den Therapiegruppen würden labile Sannyasins in den Nervenzusammenbruch getrieben, die Rede war von körperlichen und seelischen Schäden. Viele Jünger spendeten, mehr oder weniger freiwillig, ihr gesamtes Vermögen, um im Ashram bleiben zu können. Andere prostituierten sich, manche wurden zu Rauschgiftdealern, weil sie dem Meister etwas schenken wollten. Bhagwan, ganz Sex- und Kapitalismus-Guru, hatte einen Faible für Rolls Royce und Schweizer Chronometer. Er fand nichts dabei, sich Piaget-Uhren und Luxuskarossen schenken zu lassen – »was soll ich machen, wenn sie mich so lieben«, sagte er mir. 93 waren es zur Hochzeit der Sekte, bevor er in die USA auswanderte.
Nach einer weltweiten Odyssee, nach Mordanschlägen und Skandalen ging er zurück nach Indien. Er wollte nun nicht mehr »Erhabener« genannt werden, »der Scherz ist vorbei«, und nahm den Namen eines Zen-Meisters an: »Osho«. Er erkrankte und starb überraschend schnell am 19. Januar 1990, im Alter von 58 Jahren – oder wie das auf Gurusprache hieß: Er verließ seinen Körper. Nur Stunden später wurde sein Leichnam verbrannt. »Never Born, Never Died: Only visited the Planet Earth« ließ die Ashram-Leitung auf eine Gedenktafel meißeln. Ungeboren, unsterblich, ein Welten-Besucher.
Selbst die meisten Getreuen ahnten nicht, dass der Guru seinen Tod so glänzend überleben würde. Der Poona-Ashram erlebte eine Wiedergeburt – als exotisch-esoterischer Freizeitpark, als spirituelles Disneyland. »Auch ich dachte, ohne ihn sei die Kommune erledigt«, sagte mir Swami Amrito (»der Unsterbliche«), neuer Chef der Anlage, als ich Poona Mitte der Neunzigerjahre noch einmal besuchte – wie für jeden anderen war dazu ein Aids-Test, der Kauf einer weinroten Robe und ein Tages-Unkostenbeitrag von umgerechnet etwa 80 Euro Voraussetzung. Amrito hieß im früheren Leben Doktor George Meredith und war der letzte Leibarzt Oshos. Dass der Brite mit seiner australischen Freundin bis zum Schluss an der Seite des Meisters war, gab ihm die natürliche Autorität, dessen angebliche letzten Wünsche zu kommunizieren und sie geschäftstüchtig zu erfüllen. Demnach war der 21 Mitglieder starke Machtzirkel ebenso gurugewollt wie die Umwandlung des Ashrams in eine Hotelanlage mit angeschlossenen Buddha-Schnupperkursen und allerlei anderem pseudoreligiösen Schnickschnack.
Zennis gefällig? »Eine erleuchtete Rückhand nach der anderen peitscht der Bhagwan-Jünger ›Heimat der Liebe‹ alias Peter Spang aus Bamberg übers Netz, das sieht aus wie Tennis, ist aber nicht Tennis«, heißt es in meiner damaligen Reportage. »Was bei Osho jetzt gelehrt wird, ist eine Verbindung von Weisheit und Wimbledon, fernöstlicher Abgeklärtheit und westlichen Aufschlagtechniken, erlernbar für jedermann.« Und danach
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