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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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jeden Morgen in sein Büro. Der Mann wird geliebt oder gehasst, als Erlöser gefeiert oder als Scharlatan beschimpft. Dazwischen gibt es nichts, denn kalt lässt dieser Architekt und Unternehmensberater niemanden. Er wird diese Stadt sanieren, sagen seine Freunde. Er wird uns ruinieren und nur sich selbst sanieren, sagen seine Feinde. Mehta will Dharavi (»Das ewig Fließende«), einen der größten Slums von Asien, in eine Mustersiedlung verwandeln und dann bis Anfang 2020 die Stadt ganz und gar Slum-frei machen. Dabei setzt der Baukünstler und Chef der Consulting-Firma MM nicht auf Konzepte internationaler Organisationen wie etwa der Weltbank oder Firmen wie McKinsey, die im Auftrag der Stadt moderate Zukunftsszenarien (»Vision Mumbai«) entworfen haben. Er denkt radikal. Dharavi soll plattgemacht werden, und was daraus entsteht, will er privatem Kapital anvertrauen. Die Neustadt soll den Steuerzahler keinen Cent kosten. »Ich zeige Ihnen, wie das geht«, sagt Mehta in seinem Büro im feinen Stadtteil Bandra und lässt von seiner Sekretärin ganze Aktenberge heranschaffen. Dharavi ist da bis ins kleinste Detail kategorisiert, in Schattierungen gestrichelt, gezeichnet, gefärbt. Der Architekt spricht eine Stunde lang ohne Punkt und Komma. Ein Besessener, dem – wie wohl jedem Möchtegern-Visionär – etwas penetrant Missionarisches anhaftet, etwas Größenwahnsinniges. »Wenn Sie mich einen Träumer nennen wollen, bitte sehr. Ich bekenne mich schuldig.«
    Das Grundprinzip des Mehta-Entwurfs ist atemberaubend einfach: Der Slum, in dem sich mehr als eine halbe Million Menschen auf gerade mal zweieinhalb Quadratkilometer drängen, wird mit all seinen Hütten und Elendsvierteln niedergewalzt. Dann wird etwa die Hälfte des Bodens an Bauunternehmer verkauft. Diese dürfen einige Wolkenkratzer hochziehen, die entstandenen Luxusappartements verkaufen – mit der Auflage, dass sie auch Sozialwohnungen errichten und diese kostenfrei zur Verfügung stellen. »Alle 51000 Familien, die bereits seit 1995 oder länger in Dharavi wohnen, werden unentgeltlich eine Zweizimmerwohnung mit einer Kochstelle und Toilette bekommen«, sagt Mehta. Aber auch die meisten anderen Anwohner müssten nicht weit weg vor die Stadtgrenzen ziehen. »Sie sollen aber 5 Prozent des Marktwerts ihrer Wohnungen für jedes Jahr nach 1995 finanzieren.« Das Projekt könnte sich für die Privatindustrie deshalb rechnen, weil Dharavi, ursprünglich ein versumpftes Mangrovengebiet am Wasser und somit an der Peripherie gelegen, durch die jahrzehntelangen extremen Landgewinnungsmaßnahmen jetzt zentral liegt. Der Grundstücksverkauf in einer solchen Spitzenlage könnte mehrere Milliarden Euro bringen. »Weltklasse-Kliniken«, »Weltklasse-Universitäten«, »Weltklasse-Sportstätten« und »Konzerthallen mit Weltniveau« sollten neben den neuen Luxuswohnungen entstehen, Fachkräfte und auch Touristen anlocken. Ursprünglich hat der Architekt auch an einen Golfplatz auf dem Gelände gedacht, doch davon hat er inzwischen Abstand genommen: »Vielleicht ist die Zeit dafür noch nicht reif. Ich will ja niemanden provozieren.«
    Ziemlich oft sind in unserem Gespräch die Worte »Weltklasse« und »Weltniveau« gefallen. Eine Familientradition sozusagen, denn zu klotzen und nicht zu kleckern, das lernte er von kleinauf. »Ich bin mit einem goldenen Löffel im Mund geboren, und mit gesundem Selbstbewusstsein«, sagt Mukesh Mehta. Sein Vater hatte sich nur mit ein paar Rupien im Geldbeutel von einem Dorf ein paar Hundert Kilometer von hier zu Fuß aufgemacht, seine Chance in Bombay zu suchen – und hatte es bis zum Chef einer Stahlfirma gebracht. Gemeinsam mit seinem Bruder baute Mukesh Mehta diese dann zu einem Vorzeigeunternehmen aus. Mukeshs Liebe aber galt der Architektur, die er sozusagen »nebenbei« studierte. Nach dem Examen am Pratt Institute arbeitete der Rastlose vor den Toren von New York als Immobilienmakler, verkaufte den Reichen Fertighäuser in Luxusausführung. Als ihn das zu langweilen begann, besann er sich auf seine Wurzeln. Er kehrte in seine Geburtsstadt zurück, vertiefte sich in Probleme der Stadtentwicklung und wurde zur »internationalen Autorität in Fragen der Slum-Sanierung« (Mehta über Mehta): »Ich wollte meiner Heimat etwas zurückgeben.« Es sei schwer mit den korruptionsanfälligen indischen Politikern und Geschäftsleuten, sagt der Mann, der auch schon vor UNO -Ausschüssen und als Gastdozent in Berkeley seine Vorstellungen zur

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