Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
antiken Salomon-Tempels gespendet werden, der in São Paulo entstehen und zehntausenden Gläubigen der Universal Platz für Gottesdienste bieten soll. 200 Millionen Dollar wird er kosten, viel fehlt nicht mehr, und die Steine werden aus Israel importiert, damit sich das Heilige-Land-Feeling noch besser einstellt. »Die Anhänger neopfingstlicher Kirchen werden nicht mehr als gläubige Christen, sondern vielmehr als christliche Konsumenten behandelt«, schreibt Lukas Lingenthal. Und Professor Sergio Costa, Professor des Lateinamerika-Instituts der Freien Universität Berlin, meint: »Es geht um Profit. Das Ethos der Pfingstkirchen basiert auf einem Glauben an einen Gott, der Reichtum verspricht. Um ihn zu erreichen, ist fast alles erlaubt. Sie nutzen ihre Ressourcen gewinnoptimiert.«
Auch politisch wirkte Macedo als Pionier. Galt früher unter den Pfingstlern der Grundsatz, sich nicht direkt in die Staatsgeschäfte einzumischen und durch persönliche Askese sein Seelenheil zu suchen, hat sich das geradezu ins Gegenteil verkehrt. Der Universal-Bischof mischte sich mit einer Parteineugründung sehr erfolgreich in die Machtstrukturen von Brasília ein. Im Jahr 2002 errang seine Liberale Partei 26 Abgeordnetenmandate im Parlament und erwies sich bald als eine wichtige Stütze für den früheren Gewerkschaftsführer und langjährigen Staatspräsidenten Lula da Silva. Den Anhängern der Pfingstkirche werden von ihren Bischöfen diverse »Kandidaten Gottes« präsentiert, aus denen sie wählen dürfen, fast wie in einer Partei. Allerdings mit dem bedeutenden Unterschied, dass die Universal autoritär organisiert ist und nicht einmal im Ansatz über demokratische Strukturen verfügt. Ähnlich sind die Verhältnisse auch bei der nicht ganz so aggressiv auftretenden Assembléis de Deus, die von den reinen Zahlen her die größte der Pfingst-Gruppierungen in Brasilien ist.
Im nationalen Parlament haben sich die evangelikalen Abgeordneten zu einer überparteilichen Fraktion zusammengeschlossen. Derzeit stellt diese »Bancada evangélica« 63 von 514 Abgeordneten: Bischöfe, Pastoren und andere Amtsträger der Pfingstkirchen. Das entspricht in etwa ihrem Anteil unter den brasilianischen Gläubigen – nur dass es eben eine »katholische Fraktion« in der Volksvertretung nicht gibt. Als Ziel ihres politischen Kampfes nennen die Pfingstler einen »neuen Kreuzzug zur Re-Christianisierung der Welt«. Doch vielmehr als luftige Worte sind das bisher nicht, Gott sei Dank, und hoffentlich bleibt das auch dabei, sagen viele gemäßigt Religiöse in Brasilien: Die sogenannte Evangelikalen-Fraktion ist untereinander zerstritten, die Gruppenmitglieder der verschiedenen Pfingstkirchen begegnen sich mit großem Misstrauen. Zu einer gemeinsam abgesprochenen, einheitlichen Stimmabgabe ist es bisher kaum einmal gekommen.
Und doch ist eines nicht zu widerlegen: Die Zahl der Nicht-Katholiken wächst und wächst und wächst. Waren die »Evangelischen«, zu denen neben der weitaus größten Gruppe der Pfingstler auch Baptisten, Methodisten und Lutheraner gezählt werden, 1960 bei einem Anteil von 4 Prozent der brasilianischen Gläubigen, so stieg der 1990 schon auf 9 Prozent. Bei der neuesten Erhebung im Jahr 2010 bekannte sich schon mehr als jeder Fünfte zu den Boom-Religionen der »Evangelischen«, Tendenz: weiter stark steigend. Eine unaufhaltsame Entwicklung? Befreiungstheologen wie Leonardo Boff hatte der Vatikan ohnehin schon verloren. Aber auch nicht jeder, der sich dem Papst und der offiziellen römisch-katholischen Kirchenpolitik verpflichtet fühlte, wollte so wie bisher weitermachen.
Auftritt Marcelo Mendonça Rossi. Popstar des Heiligen Stuhls. Mischung aus Enrique Iglesias und George Clooney. Charismatiker Gottes. Padre Rossi ist die Antwort der brasilianischen Katholiken auf die Pfingstkirchen-Idole à la Macedo und die Langweiler unter den eigenen Kardinälen. Er war früher Sportlehrer und Personal Trainer von Reichen und Schönen, bevor er sich dem Theologiestudium verschrieb. Der begnadete Entertainer gilt als der unumstrittene Chef der sogenannten Charismatischen Bewegung, die sich aufgemacht hat, die stark bedrohte Vormachtstellung des Vatikans in Brasilien auf ungewöhnliche Weise zu verteidigen. Mit Schlagern und Show und Spitzenplätzen auf der Hitparade der meistverkauften Songs.
Es ist jetzt einige Jahre her, dass ich Rossi live erlebt habe. Damals predigte er noch in einer schäbigen alten Kirche, die aus einer
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