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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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Geschöpf Singapur. Seine Nachfolger, darunter als jetziger und dritter Premier sein Sohn Lee Hsien Loong, haben erkannt, dass kreative Freiräume und eine lebendige Kultur für eine fortgeschrittene Gemeinschaft wertvoll, ja unabdingbar sind. Der Stadtstaat wird heute jedenfalls weit weniger rigoros regiert als in den Achtziger- und Neunzigerjahren, lockerer auch als im vergangenen Jahrzehnt. Aus dem Hintergrund hat das der »Vater der Nation« mitgesteuert. Lee Kuan Yews Ruf schadet die vorsichtige Kurskorrektur nicht. Er genießt seine Rolle als allseits respektierter Elder Statesman, ähnlich wie sein Freund, der Zeit -Herausgeber in Hamburg. Seine Stimme hat auch in Peking Gehör. Von einem »Blutsbruder«, jemandem aus dem eigenen »Stamm«, der dazu noch so erfolgreich war, lassen sich die KP -Oberen deutlich mehr an Kritik gefallen als aus dem Westen.
    Im Mai 2012 haben die beiden Elder Statesmen, moderiert von meinem Kollegen Matthias Nass, in Singapur noch einmal ein langes Gespräch miteinander geführt, aus dem ein Buch entstand ( Ein letzter Besuch ). Dabei äußert Lee kurz vor seinem 90. Geburtstag gegenüber seinem 93-jährigen deutschen Gast zu den Veränderungen der internationalen Politik bemerkenswerte Erkenntnisse. »In Indien hat man aus besonderen Gründen, die nur die Inder verstehen, die Demokratie angenommen, aber dort gibt es die meisten exzessiven Verletzungen der Menschenrechte. In China beginnt sich die Idee der Menschenrechte gerade erst einzunisten. Aber die Vorstellung, dass der Staat die oberste, unangreifbare Instanz ist, die nicht infrage gestellt werden darf, beherrscht immer noch das Denken.«
    Und Lee Kuan Yew begnügt sich damit nicht. Er spricht Klartext auch zu seinen Freunden in Peking – und äußert freimütig eigene Erwartungen. »Jeder Chinese wünscht sich ein starkes und reiches China, eine Nation, wohlhabend, fortgeschritten und technologisch auf der Höhe von Amerika und Europa. In Mandarin bedeutet der Name des Landes immer ›Reich der Mitte‹, ein Rückbezug auf die Zeit, als China die Welt dominierte. Die Chinesen wollen dieses Jahrhundert mit den Amerikanern als gleichberechtigte Macht teilen. Die Führung hat beschlossen, dass die beste Strategie für den weiteren Aufstieg dafür ist, ihre zunehmend fortgeschrittene Arbeitskraft zu nutzen, Produkte zu bauen und zu exportieren. Den Kopf unten halten, vierzig bis fünfzig Jahre einfach nur arbeiten und lächeln. Eine Konfrontation mit den USA könnte das nur behindern.«
    Lee Kuan Yew sieht allerdings »mehr Hindernisse als die meisten Beobachter für Chinas Weg nach vorn«. Die Abwesenheit rechtsstaatlicher Mechanismen sei ebenso schädlich wie der übergroße Einfluss »von kleinen Kaisern auf lokaler Ebene«. Weil die chinesische Kultur keinen freien Austausch und Wettbewerb von Ideen zulasse, werde die Volksrepublik »vermutlich niemals Amerikas Kreativität erreichen«. Erstaunliche Worte für einen politischen Denker, der doch so lange in seinem Leben mit der Überlegenheit fernöstlicher Konzepte kokettiert hat.
    Für mich wird Lee Kuan Yew immer auch als Jogger in Erinnerung bleiben – vom gemeinsamen Lauf im Regierungspalast. Der Mann, damals auch schon Anfang sechzig, rannte los, als wollte er Rekorde brechen, seine Leibwächter und mich im Schlepptau. Natürlich war das nicht fair: Er hatte Turnschuhe und kurze Sporthosen an, ich hatte mich gerade noch von Jackett und Krawatte trennen können. Er war das durchgehend feuchtheiße Singapurer Klima gewohnt; andererseits war ich ein gutes Vierteljahrhundert jünger. Ein Patt. Nach dem Schlussspurt ohne Sieger gab es Tee und noch einen letzten, kostenlosen Rat vom Staatsmann: »Man muss seine Defizite erkennen und auszugleichen versuchen. Und man muss mit seinen Stärken arbeiten, ohne sie vor den anderen offen auszubreiten.«
    Jim O’Neill, Amartya Sen, Lee Kuan Yew: beeindruckende Persönlichkeiten. Ihre aufschlussreichen Überlegungen zur neuen Weltordnung und der Rolle Chinas, Indiens und Brasiliens haben allerdings einen Nachteil – die drei sind durch ihre persönliche Geschichte und ihre Berufsbeschreibung in ihrem Urteil nicht unparteiisch, können es nicht sein.
    Bei dem britischen Investmentbanker schwingen Geschäftsinteressen mit, auch wenn man ihm nicht unterstellen sollte, nur neue China-Investmentfonds verkaufen zu wollen; womöglich verführt ihn auch die Brillanz seines BRIC -Konzepts zu übertrieben positiven Aussagen. Den indischen

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