Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Befriedung Nordkoreas wird an dem führenden Trio der BRICS kein Weg mehr vorbeiführen.
Allerdings zeigt sich dann im Jahr 2025 schon deutlich, wie sehr die Interessen von China, Indien und Brasilien in einigen wichtigen internationalen Fragen auseinanderklaffen – und wie wenig Peking bereit ist, seinen Supermacht-Status mit Delhi und Brasília zu teilen. Die drei konkurrieren außerdem in Afrika und dem Mittleren Osten um Rohstoffe und strategische Militärbasen. Am deutlichsten wird die Rivalität zwischen Indien und China. Sie haben zwar ihre Grenzstreitigkeiten im Jahr 2025 längst beigelegt und ihren Handel vervielfacht, jedoch keinen gemeinsamen Nenner bei der Beherrschung der Schiffsrouten und in Pakistan, Afghanistan und Myanmar gefunden.
Auch wirtschaftlich spüren die neuen Weltmächte Gegenwind. Sie müssen feststellen, dass der Aufstieg von der wirtschaftlichen Unterklasse der Welt zur Mittelklasse leichter ist als der von der Mitte zur Spitze. Lange Zeit war die absolute Priorität der Menschen in China, Indien und Brasilien die Versorgung mit Konsumgütern, die Erfüllung von Grundbedürfnissen. Im nächsten Jahrzehnt ist für eine Mehrheit dieser Hunger erst einmal gestillt, in den Vordergrund treten andere Bedürfnisse: nach Krankenversicherung, Altersversorgung, besserer Jobsicherheit und fairen Ausbildungschancen. Dabei konkurrieren die neuen Mächte auch mit aufstrebenden Schwellenstaaten wie der Türkei, Mexiko und Indonesien. Es zeigt sich, wie schwer es ist, mehr als ein Jahrzehnt lang hohe Wachstumszahlen zu halten, wie relativ leicht es ist, von einem sehr niedrigen Startpunkt aus die ersten Meilen Richtung Fortschritt in Hochgeschwindigkeit zu nehmen.
Bei näherer Betrachtung der BRIC S werden auch die fundamentalen politischen und kulturellen Differenzen klar, die mehr oder weniger zwangsläufig in eine unterschiedliche Entwicklung münden. Indien und Brasilien sind sich – trotz oder gerade wegen der mehr als 15000 Kilometer, die zwischen ihnen liegen – von der Regierungsform, aber auch von der Mentalität her näher als Indien und China. Sie teilen die Auffassung, dass unterschiedliche Parteien um die Wählergunst konkurrieren sollten, dass es eine Gewaltenteilung geben muss, dass eine freie Presse ein notwendiges Korrektiv darstellt. Dennoch liegen sie bei sozialen Indikatoren schon im Jahr 2013 weit auseinander.
Ein Vergleich zwischen den beiden demokratisch regierten Schwellenländern zeigt: Brasiliens Kindersterblichkeit liegt bei 9 von 1000, Indiens bei 48; die Analphabetenrate junger Brasilianerinnen beträgt ein Prozent, bei Inderinnen 26 Prozent; in Brasilien sind nur etwas mehr als 2 Prozent der Kleinkinder untergewichtig – in Indien aber 44 Prozent. China schafft mit seinem autoritären Modell noch bessere Zahlen. Es kann Großprojekte offensichtlich effektiver durchsetzen als seine BRIC S-Konkurrenz, besitzt modernere Flughäfen und bessere Eisenbahnverbindungen als Indien und Brasilien – und stößt doch mit seinem Entwicklungsmodell anderweitig an Grenzen. Bis zum Jahr 2025 werden diese aufgezeigten Grenzen noch ausgeprägter, noch offensichtlicher sein.
THESE ZWEI: China nimmt fast jede Kurve – und droht doch an falschen Abkürzungen zu scheitern.
Dieses Land braucht offensichtlich mehr Zusammenhalt und deutliche Ziele, etwas, nach dem alle streben sollen. Die politischen Führer erfanden dafür einen griffigen Namen: »Der Chinesische Traum«. Er war das Hauptthema der Rede des neuen Staatspräsidenten Xi Jinping zu seiner Amtseinführung im März 2013. Inzwischen gibt es kaum eine Parteikonferenz, kaum eine öffentliche Rede, in denen der Ausdruck nicht fällt. Nur – was ist das eigentlich? Was bezweckt die Partei mit diesem flächendeckenden Propaganda-Slogan?
Der neue starke Mann des Landes hat den Traum bei seinem Besuch des Pekinger Nationalmuseums als »große Wiedergeburt der chinesischen Nation« definiert. Und weil auch das noch sehr vage bleibt, reklamieren unwidersprochen die Nationalisten die Deutungshoheit für sich. China müsse noch selbstbewusster werden, müsse militärisch die Muskeln spielen lassen, müsse in der Weltpolitik zumindest gleichziehen mit der anderen Supermacht (die sich ja als einzige auch über einen eigenen, über den »amerikanischen Traum« definiert). Das klingt nicht nach einem BRIC S-Staat unter Gleichen, sondern eher nach Aufteilung der Erde zwischen zwei Großen. Oder gar nach China als Nummer eins.
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