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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Follath
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»Krönungsfeier« zeigt sich Xi als Rätsel-Figur, als wolle er einen weiteren Beleg für die mangelnde Transparenz des Systems liefern. Er verschwindet über zwei Wochen lang von der politischen Bildfläche, versetzt die anreisende amerikanische Außenministerin Hillary Clinton ebenso wie die Regierungsspitzen von Dänemark und Singapur. Im Fernsehen sind keine Live-Bilder des Designierten zu sehen. Und schon überschlagen sich die Gerüchte: Hatte Xi einen Autounfall erlitten, setzte ihn ein Herzinfarkt außer Gefecht, gar ein Anschlag? Oder war es eine Sportverletzung, ein »Rückenleiden«, letzterer Verdacht verstärkt durch die Blockierung des Begriffs im Internet? Die Welt wird es nie erfahren. Wahrscheinlich nimmt sich Xi einfach eine Auszeit, bereitet sich in Zhongnanhai, der Trutzburg der Parteistrategen, auf die Machtübernahme vor. Schon vor einigen Jahren hat er allen Weggefährten nahegelegt, sich zu seiner Person in Schweigen zu hüllen. Er will keine Angriffsflächen bieten. Und so wiederholt er in einem internen Partei-Aufruf seine Warnung vor Indiskretionen. »Klemmt gefälligst eure Schwänze zwischen die Beine!«, formuliert das Xi Jinping. Er möchte offensichtlich auf keinen Fall mit Luxus in Verbindung gebracht werden und legt größten Wert darauf, den Eindruck von Nepotismus zu vermeiden.
    Der Verdacht, dass sich Spitzenfunktionäre bereichern, ist nicht weit hergeholt. So etwas gilt fast schon als an der Tagesordnung. »Wenn ein Kader aufsteigt, dann kommen auch seine Hühner in den Himmel«, sagt ein chinesisches Sprichwort – ganz einfach, weil es seit jeher viel leichter ist, mit den richtigen guanxi (»Verbindungen«) Geschäfte zu machen. Und so ganz scheint das mit der verordneten Bescheidenheit im Xi-Clan denn auch nicht geklappt zu haben. Die Bloomberg News verbreiteten eine detaillierte Aufstellung über den Reichtum der Xi-Verwandten, von Firmenbeteiligungen bis zu Villen in Hongkong; allein der Besitz seiner Schwester und deren Mann beläuft sich nach Recherchen des Blattes auf etwa 400 Millionen US -Dollar. Obwohl Bloomberg keineswegs behauptet, Xi Jinping selbst habe sich persönlich bereichert, sperrte die Staatszensur in Peking sofort den Zugang zu diesen Informationen. Und später passierte das noch einmal, als dem scheidenden Premierminister Wen Jiabao von der New York Times nachgewiesen wurde, dass sein Clan während seiner Amtszeit ein Vermögen von 2,7 Milliarden US -Dollar anhäufte.
    Amerikanische Diplomaten nennen Xi Jinping in ihren Geheimdepeschen »unbestechlich«, Schnaps und Affären, der Zeitvertreib so vieler Funktionäre, sei seine Sache nicht. Allerdings sei er fest davon überzeugt, dass nur eine kleine Elite Chinas soziale Stabilität bewahren und das Land zu neuer Größe führen könne, nämlich die Söhne und Enkel der kommunistischen Gründerväter: Die Prinzlinge seien »die legitimen Erben der Macht«, hat er laut diesen Quellen einmal unmissverständlich im kleinen Kreis gesagt. Angela Merkel fand den neuen starken Mann bei ihrem Besuch in Peking »offen und sympathisch«. Viel weiter in seiner positiven Bewertung geht Lee Kuan Yew, der ehemalige Premier von Singapur, ein in China wie im Westen hochgeehrter Elder Statesman: »Er ist ein Politiker in der Klasse von Nelson Mandela, eine Person von enormer emotionaler Stabilität, dem seine persönlichen Rückschläge und Leiden nicht die Urteilsfähigkeit beeinträchtig haben. Mit einem Wort: eindrucksvoll.«
    Seine Wahl zum KP -Vorsitzenden im November 2012 ist nach den vorausgegangenen Dramen schließlich ein Nicht-Ereignis, ebenso eine Formalität wie die Abstimmung zum höchsten Amt im Staat. Der Volkskongress macht ihn mit 2952 Ja-Stimmen, drei Enthaltungen und einem Nein zum Staatspräsidenten – die merkwürdige Gegenstimme sorgt im Internet für milden Spott und einen Hauch von Zynismus. »War er das etwa selbst, um Demokratie zu simulieren?«, fragte ein Anonymus, und ein anderer meinte, da müsse einer der »Tattergreise« schon so senil sein, dass er nicht einmal den »richtigen« Knopf drücken könne. Die ersten Reden Xi Jinpings waren vom Stil her bemerkenswert, in der Substanz allerdings widersprüchlich. Immerhin: So einer wie sein steifer Vorgänger Hu Yaobang, ein Apparatschik, den der Volksmund »Roboter« getauft hat und der sich mit roboterähnlichen Funktionären umgab, ist er nicht.
    Xi wettert gegen die Verschwendungssucht der Kader und die extravaganten Bankette in teuren

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