Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
weit aufgerissen, die Augäpfel schienen wild zu rotieren, und das unabhängig voneinander. Aus einem ihrer Nasenlöcher lief ein Blutfaden, und ihre Lippen sahen aus, als hätte sie sie zerbissen. Blutige Streifen malten ein schauriges Muster auf die Tür, und wenn sie den Atem ausstieß, bildeten sich Blutblasen vor ihrem Mund und an den Nasenlöchern. Kaum hatte Kevin sie losgelassen, robbte sie wieder auf die Tür zu und warf sich dagegen, als wäre sie das Wertvollste, was sie hatte. Margarete versuchte, die Frau anzusprechen, aber sie reagierte nicht.
„Ruhig“, flüsterte die Dozentin beschwörend. „Ruhig. Es wird alles gut. Wir holen Sie da raus. Keine Panik. Wir sind bei Ihnen.“
Auch diese Worte zeigten keine Wirkung. An Ruhe war nicht zu denken – Madame Spectre wurde immer aufgeregter, ihre Bewegungen immer zappliger und wilder. Unkontrolliert schlugen ihre Hände gegen den Fußboden und gegen die Tür.
Als sich Margarete umwandte, erkannte sie eine ganze Wand von Menschen hinter sich. Salvatore und Werner Hotten waren herangekommen und standen unschlüssig in zwei Schritt Entfernung. Bei ihnen war Traude Gunkel, und die ersten Studenten kamen ebenfalls angerannt.
„Was geht da vor?“, sagte die Gunkel mit hoher Stimme. „Erklären Sie mir das!“
„Scheren Sie sich zum Teufel!“, gab Margarete zurück. Sie konnte jetzt keine Einmischung von der eingebildeten Alten brauchen. Von ihr würde sie sich nicht sagen lassen, was sie zu tun hatte. Von ihr nicht!
„Erklären Sie es mir!“, wiederholte Traude Gunkel. „Schnell!“
Margarete ignorierte sie und starrte auf die Tür. Dort ging in diesen Sekunden eine Veränderung vor.
Auf dem Holz zeichnete sich etwas ab, das ein Gesicht zu sein schien. Zunächst war es zweidimensional, wie eine Fotografie, nur die Farben stimmten nicht. Sie waren grell, wie auf einem Fernsehschirm, dessen Farbkontrast man bis zum Anschlag aufgedreht hatte. Das blieb auch dann noch so, als das Gesicht dreidimensional wurde. Es gehörte einem Mann, war bärtig, die Haare halblang und zerwühlt. An anderen Stellen in der Tür tauchten nun Finger auf.
Margarete kannte dieses Gesicht. Das war Lorenz von Adlerbrunn. Er verließ sein Gefängnis! Sie würden bald alle tot sein, und sie, Margarete, würde das Schicksal als Erstes ereilen.
„Reden Sie mit mir!“, schrie Traude Gunkel und packte sie an den Schultern. „Seien Sie keine verdammte Zicke! Was ist das?“
Margarete war wie gelähmt. Sie registrierte, wie sie dachte: Die alte Schachtel denkt noch immer, sie sei der Mittelpunkt des Universums. Da wird sie sich gleich aber wundern! Sagen konnte sie nichts. Tun auch nicht.
Es war geschehen. Was sie mit aller Macht hatten vermeiden wollten, passierte. Der Baron brach aus, und Sir Darren, der einzige, der sie vielleicht hätte retten können, war nicht bei ihnen!
„Ist das Lorenz von Adlerbrunn?“, fragte Traude Gunkel und schüttelte die Dozentin. „Der Geist von Schloss Falkengrund? Ist er das?“
Margarete schaffte es zu nicken. Der Baron kam sehr langsam aus der Tür. Es schien ihn viel Kraft zu kosten, den Raum zu verlassen. Sein Gesicht war verzerrt und flackerte in unnatürlichen Farben. Noch war er nicht ganz frei.
„Warum kann er den Raum verlassen?“ Die nächste Frage. Margarete hörte sie, aber es war schwierig, sich darauf zu konzentrieren, nicht von der Panik übermannt zu werden.
„Diese Frau“, würgte sie hervor, „hat eine … Astralprojektion in das Zimmer geschickt.“
„Ah.“ Die Alte ließ sie los, schien zufrieden zu sein. Schien nachzudenken. Doch das war jetzt alles nicht mehr wichtig. Margarete musste fliehen. Sie wollte leben. Noch ein bisschen leben. Sie kroch über den Boden auf die Reihe der anderen zu, die sich jetzt auch auflöste. Mehrere ergriffen die Flucht, einige wenige blieben stehen. Ob es Mut war, der sie am Ort des Geschehens hielt, oder ob die Angst sie gelähmt hatte … wer wollte das jetzt noch entscheiden?
Ungläubig erkannte sie, wie Traude Gunkel neben Madame Spectre niederkniete. Die junge Frau hatte aufgehört, um sich zu schlagen, und schien besinnungslos geworden zu sein. Ihr Körper hing schlaff in den Armen der alten Frau, der Kopf zur Seite gekippt und ihr Gesicht unter den langen dunklen Haaren verborgen. Der Geist des Barons war gerade noch einen Meter von ihren Beinen entfernt. Allmählich wurde sein Rumpf sichtbar. Um ihn herum flimmerte eine Aura, die dem Geistkörper der Frau zu
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