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Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Titel: Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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werden sehen, was dann passiert.“
    „Mir ist es nie langweilig geworden“, konnte Georg sich die Bemerkung nicht verkneifen.
    „Ja, das verstehe ich, aber das ist eine andere Situation.“
    „Haben Sie etwas mit den beiden gemacht? Mit Hanna und Stick?“ Georg umklammerte den Seitengriff an der Innenseite der Tür. Er redete sich ein, dass er keine Angst zu haben brauchte. Er hatte auch keine Angst. Nicht vor dem Fremden. Nur vor den Antworten, die er ihm geben würde.
    Sie hatten die Landstraße erreicht, und der Mann gab Gas. Es war wenig Verkehr. Nachdem sie einen Bus überholt hatten, hatten sie freie Fahrt. Poster fuhr schnell, aber sicher und ruhig. Die Tachonadel stand auf 110 Stundenkilometer, die Straße verlief kerzengerade. Keiner von ihnen trug einen Sicherheitsgurt.
    „Weißt du, Gorgon, was ein Werwolf ist?“, fragte der Mann unvermittelt.
    Georg hatte keine Ahnung, was er darauf antworten sollte. Die Frage schien keinen Sinn zu machen. „Ein Werwolf ist eine Sagengestalt“, brachte er hervor, nachdem eine Minute lang Schweigen zwischen ihnen geherrscht hatte.
    „Richtig“, bestätigte Poster. „In der Realität gibt es keine Werwölfe. Nur Dummköpfe glauben an Werwölfe. Und soll ich dir verraten, wie diese Sagengestalt entstanden ist? Es gibt Jäger, nicht wahr? Sie tragen nicht alle grüne Kleider und einem Gamsbart am Hut, aber es gibt sie. Und manche von ihnen jagen besonders gut, nicht wie die zivilisierten Menschen von heute, sondern besser, effektiver. Sie sind echte Jäger, wie es früher in der Urzeit welche gab. Kannst du mir so weit folgen?“
    Georg nickte.
    „Ein Jäger aus der Urzeit ist jemand anderes als ein Jäger von heute mit geregelten Arbeitszeiten und Sozialversicherung. Wenn heutzutage ein Jäger sich wie ein echter Jäger benimmt, reagieren die Leute sehr … befremdet. Sie fürchten sich vor ihm. Sie vergleichen seine Jagdmethoden mit denen eines Tieres, verstehst du? Und manchmal stellen sie sich vor, er würde sich in ein Tier verwandeln, in einen reißenden Wolf zum Beispiel. So entstehen die Geschichten von den Werwölfen. Dabei ist er die ganze Zeit über ein Mensch. Kannst du dir vorstellen, dass es solche Menschen gibt, Gorgon?“
    „Ich verstehe nicht, was das mit Hanna und Stick zu tun hat. Und mit Ihnen.“
    „Hanna ist eine Liebhaberin, wie sie es früher gab, als die Welt noch nicht so kompliziert war. Männer schlugen sich, und der Sieger bekam eine Frau. Damals brauchte sich eine Frau noch nicht zu schämen, wenn sie so war. Und Stick ist ein Kämpfer, einer aus der Zeit, als das Siegen noch wichtiger war als das Einhalten von Regeln.“ Er klopfte auf das Lenkrad, nur leicht, mit einem Finger. „Spielregeln, Moralregeln, Konventionen, Gesetzesklauseln, wir gehen darin unter, nicht wahr, Gorgon? Es überrollt uns.“
    Georg versuchte das gentlemanhafte Äußere des Mannes mit dem in Verbindung zu bringen, was er sagte. Es schien nicht zu passen. Sie waren auf einen grünen Polo aufgefahren und überholten ihn. Im Inneren saßen zwei Erwachsene und drei Kinder. Sie hatten die Münder offen und schienen zu singen. „Aber Stick war nicht immer so.“
    „Hanna war auch nicht immer so. Ich habe sie zu dem gemacht, was sie heute ist.“
    „Wie wollen Sie das … angestellt haben?“
    Der Mann sah geradeaus, leckte sich die Lippen. „Die Antwort, die ich dir gebe, wird dich nicht befriedigen. Ich habe einfach die Kraft, es zu tun. Das ist alles. Ich greife auf die Persönlichkeit zu. Ich kann keine einfache Persönlichkeit komplizierter machen, aber eine komplizierte einfacher. Ich kann den Menschen ihre alten, ursprünglichen Instinkte wieder zurückgeben.“
    „Sie … hypnotisieren sie?“
    „Ich rede mit ihnen, taste nach ihnen, verändere sie. Ich habe es nicht gelernt und kann es niemandem beibringen. Ich bin einfach fähig dazu.“
    Sie fuhren eine Viertelstunde, ohne miteinander zu sprechen. Die grasbewachsenen Hügel hatten noch nicht das saftige Grün des Frühlings. „Was denkst du?“, fragte Philipp Poster irgendwann.
    „Ich frage mich“, antwortete Georg aufrichtig, „ob man die Menschen nicht vor Ihnen schützen müsste. Falls das stimmt, was Sie sagen.“
    „Schützen? Warum? Weil ich ein Monstrum bin, einer von einer Milliarde Teufeln, die in Gottes Schöpfung herumpfuschen? Überleg mal, Gorgon – muss es Gott nicht lieber sein, wenn die Menschen wieder so werden, wie er sie geschaffen hat? Eine wildere, aber ehrlichere

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