Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten
Welt, brauchen wir das nicht alle? Verkriechen wir uns nicht in Bücher, Filme, Videospiele, weil man uns nicht mehr Menschen sein lässt?“
„Wie finden Sie Ihre … Opfer?“
„Meine Opfer?“ Zum ersten Mal lächelte er, aber nur ein wenig. „Meine Opfer … Durch Zufall. Ich habe Hanna durch Zufall kennen gelernt. Und wie gesagt, ab und zu sehe ich nach, wie es ihnen geht, um zu überprüfen, ob ich das Richtige getan habe. Ich habe ein Gewissen, weißt du. Und Hanna … Hanna ging zu diesen Turnieren, also folgte ich ihr. Dort traf ich Stick. Er war sehr, sehr unglücklich. Wir kamen ins Gespräch. Er hatte Träume. Jetzt gefällt er mir besser. Er ist doppelt so stark geworden wie zuvor. Körperbau – Technik – das ist alles nicht annähernd so wichtig wie die innere Einstellung. Wenn der Instinkt ihn voll und ganz übernimmt, ist er das, was er wirklich sein will. Und das, wozu Gott ihn geschaffen hat.“
„Er hat einen Menschen umgebracht.“
„Ja“, meinte Poster. „Das stimmt.“
„Und mich?“, hakte Georg nach. „Werden Sie mich auch verändern?“
„Nur, wenn du es möchtest.“
„Nein“, erwiderte Georg schnell. „Ich will es nicht. Ich war bestimmt kein Chorknabe, aber ich möchte nicht zu einer Bestie werden, die nur eines im Kopf hat. Jagen oder kämpfen oder …“
Sie fuhren durch ein kleines Dorf, und Georg sah hinaus. Spielende Kinder. Menschen, die Einkäufe tätigten, Klatsch austauschten.
„Beschützen ist auch ein Urinstinkt des Menschen“, bemerkte Poster. „Wie Jagen und Kämpfen und … wie nennen es die Leute heutzutage … Poppen?“ Er sagte es mit todernster Miene.
„Beschützen ist schwierig“, meinte Georg und sah den Leuten auf der Straße nach. „Schwieriger als Jagen, Kämpfen und …“ Er räusperte sich. „Zu kompliziert.“
„Nicht, wenn man den Instinkt stärkt. Es ist alles nur eine Frage des Instinkts. Möchtest du ein großer Beschützer werden, Gorgon?“ Er sprach mit ihm wie mit einem Kind, die ganze Zeit über schon.
Als Georg nicht antwortete, lehnte sich der Fahrer zurück und meinte: „Überstürzen wir nichts. Fahren wir einfach weiter. Es gibt genügend Straßen, und wir haben viel Zeit.“
Sie überholten einen Lieferwagen und hatten danach wieder freie Fahrt.
ENDE DER EPISODE
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Nr. 26 -
Nachbars Garten
1
„Und was, sagten Sie, will Herr Aspen von mir?“
Die Tür zum Zimmer des Rektors stand weit offen, als Jaqueline Beck vorbeikam. Sie konnte Werner sehen, wie er schief an seinem Schreibtisch saß, den Telefonhörer in der Hand. Ihre Blicke trafen sich, und die Studentin wollte schon weitergehen, um nicht indiskret zu erscheinen. Da winkte Werner sie zu sich. Jaqueline huschte sofort ins Zimmer und nahm auf dem freien Stuhl Platz. Sie hatte ohnehin nicht vorgehabt, außer Hörweite zu verschwinden …
Werner lauschte eine Weile seinem Gesprächspartner, kritzelte eine dreistellige Nummer auf einen Briefumschlag und meinte: „In Ordnung, ich komme. Passt es gegen drei? Alles klar, danke, bis dann.“
Als die Verbindung unterbrochen war, legte er den Kopf schräg und sah Jaqueline so treuherzig-doof an, wie nur er es konnte. Zweifellos hatte Werner Hotten nur einen Teil von dem verstanden, was ihm eben am Telefon erklärt worden war. Er zeichnete einen Kringel um die Zahl – Jaqueline hatte sie längst gelesen: 316 – und legte den Stift weg.
„Kennst du die Gewächshäuser?“, fragte er unvermittelt. „Sie liegen in nördlicher Richtung, keine zwei Kilometer von Falkengrund entfernt. An der Quelle geht’s rechts in den Wald, dann …“
„Ich war mal dort, letztes Jahr“, unterbrach Jaqueline, ein Mädchen, das jeden Gedankensprung mitmachte. „Zwei uralte Glashäuser. Aber gesehen habe ich dort niemanden. “
„Sie gehören Eberhard Aspen. Er lebt allein dort oben. Ein seltsamer Kerl, wenn du mich fragst. Den Garten lässt er völlig verwildern, aber drinnen, in den Gewächshäusern, betreibt er akkurat seine Züchtungen. Er hat sogar einen Doktor in Botanik, ein kluger Kopf.“
„Du kennst ihn also näher.“
„Kaum. In den letzten Jahren kam er drei- oder viermal hier vorbei, und wir hielten ein Schwätzchen. Er hat mir Tipps gegeben, wie ich mit der Rosenschildlaus fertigwerde. Einmal habe ich ihn besucht und mir seine Züchtungen angesehen.“
„Romantische rote Rosen?“
„Heikle heimische Heilkräuter.“ Werner grinste. Als er wieder ernst wurde, wurde er richtig ernst,
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