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Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Titel: Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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fast schon bitter. „Aspen hatte Pech. Vor sechs Wochen ist er in seinem Gewächshaus bewusstlos zusammengebrochen und nicht wieder aufgestanden.“
    „Tot?“ Jaqueline sagte es ohne sichtbare Gefühlsregung, eher wie ein Kripobeamter, der einem Zeugen die Informationen aus der Nase zieht.
    „Glücklicherweise nicht. Seine Schwester, die in Kanada lebt und ihn alle zwei Tage anruft, hat die Polizei alarmiert, als niemand abnahm. Jetzt liegt er in einer Klinik in Offenburg. Die Wochen seit seinem … seiner … seit der Sache hat er im Koma verbracht. Gestern ist er daraus erwacht.“
    „Sag bloß, er wacht auf und verlangt ausgerechnet nach dir, mit dem er nur ein paar Mal geplaudert hat!“
    „Tja, genauso war es wohl. Ich schätze, er hat wirklich kaum Kontakt zur Außenwelt. Der Oberarzt erzählte mir, seine Schwester sei vor vier Wochen aus Kanada angereist, um ihn zu sehen, aber nach einer Woche flog sie wieder zurück.“
    „Verständlich. Komapatienten sind nicht sehr unterhaltsam. Was diesem Aspen fehlt – medizinisch gesehen, meine ich –, konnte man dir wegen der ärztlichen Schweigepflicht nicht sagen, nehme ich an.“
    „Vermutlich. Ich hatte aber eher den Eindruck, die Ärzte wissen es selbst nicht.“ Werner stand unvermittelt auf und studierte seine Uhr. „Egal! In drei Stunden bin ich hoffentlich schlauer.“
    „Soll ich dich begleiten?“
    Werner sah zur Seite. „Das wird nicht nötig sein. Ehrlich gesagt, ich hätte eine andere Bitte an dich. Falls du nach dem Mittagessen nichts Wichtiges vorhast, könntest du vielleicht einen kleinen Spaziergang zu den Gewächshäusern machen und dich dort mal umsehen?“
    „Was werde ich da finden?“
    Falkengrunds Rektor, Gärtner und Hausmeister drehte zwei nachdenkliche Runden in dem kleinen Raum, der sein Privatzimmer und Büro zugleich war. Auf Falkengrund lebte man viel beengter, als Außenstehende sich das vorstellen konnten. Immerhin wohnten sechzehn Personen in dem Schlösschen. „Es ist nur so ein Gefühl, Jaqueline.“
    „Das Gefühl, es könnte irgendetwas Übernatürliches im Spiel sein?“
    „Ich weiß nicht. Ich … bin viel unter Pflanzen, wie du weißt, mehr als unter Menschen. In den Gewächshäusern von diesem Aspen, da war irgendetwas, das ich so noch nie gespürt hatte. Da waren die fein säuberlich gepflegten Beete der Heilkräuter, die Tageslichtlampen an der Decke, die Schläuche für die Bewässerung, alles ganz normal, so wie es sein sollte, aber …“
    „Etwas Fremdes lag in der Luft.“ Jaqueline sagte es ohne theatralischen Unterton, ohne jede Geste. Sie sagte es nur, um das Gespräch weiterzubringen. Menschen, die sich nicht präzise ausdrückten, machten sie kribbelig.
    Werner blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Nicht in der Luft, Jaqueline. Nicht in der Luft. Wenn da etwas war, etwas, das nicht dorthin gehörte, dann unter den Pflanzen, in der Erde, im Boden.“ Für einige Sekunden war sein ganzer Körper angespannt gewesen, doch dann sanken seine Schultern hinab, und sein Gesicht nahm wieder den harmlosen, offenen, beinahe schon belämmerten Ausdruck an, den es oft hatte. „Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich sehe ich schon Gespenster. Die letzten Wochen – die ganzen Probleme – mir wächst diese Schule allmählich über den Kopf. Die Gespräche mit Traude Gunkel verlaufen nie so, wie sie sollen. Heute, wo sie außer Haus ist, hatte ich mich auf ein bisschen Gartenarbeit gefreut. Daraus wird jetzt wieder nichts.“ Seine Stimme hatte einen weinerlichen Klang angenommen. Es war Samstag, ein freundlicher, milder Tag im Herbst, Schloss Falkengrund nahezu menschenleer.
    „Keine Sorge. Ich sehe mir den Ort an.“
    „Denkst du, man kann die Gewächshäuser betreten?“
    „Ich komme schon rein.“ Ohne Verabschiedung drehte sich die gertenschlanke Studentin mit dem Kurzhaarschnitt um und verließ zügig das Zimmer. Diese kühle, geschäftsmäßige Art gehörte zu ihrer Vorstellung von Effektivität. Und diese Eigenschaft war auch der Grund dafür, warum sie auf Falkengrund kaum Freunde fand. Nicht nur nutzte sie jede Gelegenheit aus, ihre geistige Überlegenheit zu demonstrieren, sie ließ die anderen auch spüren, dass Gespräche sie nur so lange interessierten, wie sie ihr neue Informationen brachten.
    Dass sie den Dialog mit Werner blitzartig abbrach und eilig den Raum verließ, zog eine Folge nach sich: Als sie nach links in den Flur einbog, kollidierte sie mit jemandem. Schulter prallte gegen

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