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Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten

Titel: Die Neuen - Herz des Gladiators - Nachbars Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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wie vorher. Egal – wenn das Innere des Hauses erst eine Flammenhölle war, würde das keine Rolle mehr spielen.
    Dieses Gluckern, wenn der Kraftstoff aus dem Behälter floss, war ein böses, perfides Geräusch, und es würde ihn noch lange begleiten, das ahnte er. Er würde im Schützengraben liegen, die Projektile würden heulen, die Granaten detonieren, und wenn ihnen allen die Ohren von dem Lärm klangen, würde er, Wilhelm Stein aus dem Schwarzwald, darin dieses Gluckern hören.
    Sicher war es eine Überreaktion, die Rosen auf diese drastische Weise zu vernichten. Aber wenn die Weltgeschichte vor einem Wendepunkt stand, durfte man sich nicht vor scharfen Einschnitten drücken. Man musste Schlussstriche ziehen, klare Verhältnisse schaffen.
    Wilhelm hatte einen alten Lumpen bereitgelegt. Ihn entzündete er im Freien, wartete, bis er gut brannte, trat bis auf einen Schritt an die geöffnete Tür des Vorderhauses heran, schleuderte ihn so tief hinein, wie er es vermochte, und wich zurück. Rückwärts zu laufen war eine echte Herausforderung mit dem steifen Knie, doch er konnte dem Feuer nicht den Rücken zuwenden.
    Feuer?
    Was ablief, hatte er sich ein wenig anders vorgestellt. Eine Benzinexplosion hatte er in seinem Leben noch keine gesehen, nur ein Ölfeuer. Eine Sekunde, nachdem er das brennende Stück Stoff geworfen hatte, explodierten die beiden Glashäuser in zwei Flammenkugeln. Wie zwei riesige orangegelbe Blüten … Zwischen der Explosion des vorderen und der des hinteren Hauses gab es praktisch keine Zeitdifferenz. Die Druckwellen stießen Wilhelm zu Boden, ehe ein Sturm aus Hitze und Glassplittern über ihn hinwegfegte. Geistesgegenwärtig warf er sich noch im Fallen herum und drehte sich auf den Bauch. Das verhinderte lebensgefährliche Verletzungen.
    Als er sich Minuten später aufrappelte, war seine Kleidung zerschnitten, sein Haar angesengt, und Scherben steckten in seiner Haut. Er spürte weder den Schmerz noch die Hitze. Während er zu seinem Haus zurückging, ohne einen Blick zurück auf die brennenden Ruinen zu werfen, erfüllte ihn eine erstaunliche, übernatürliche Ruhe. Doch kaum hatte er sich in die Essecke an den alten Holztisch gesetzt, fing er am ganzen Körper an zu zittern.

3
    Gegenwart
    „He, Jackie! Ich wusste, dass du kommen würdest.“
    Angelika hatte es sich auf einer rustikalen Holzbank in der Nähe der Glashäuser bequem gemacht und ein paar Gänseblümchen gepflückt. Es sah überhaupt nicht aus, als würde sie ihre Kommilitonin erwarten …
    „Eigentlich hätte ich als Erste reingehen können. Ich bin nämlich schon seit zehn Minuten hier. Aber ich dachte mir, weil du doch so mimosig bist, wirst du vielleicht böse, wenn ich dir zuvorkomme. Irgendwie ist es ja auch viel schöner, es gemeinsam zu tun, findest du nicht? Ich habe nur kurz durch die Scheibe gespickt – richtig gruselig ist es da drin.“
    Jaqueline zog es vor, nichts zu sagen. Sie wollte ausprobieren, ob Angelikas Mundwerk sich nicht irgendwann einmal totlief. Auch dass die Blonde, die sich einen romantischen Fischgratzopf geflochten hatte, sofort aufsprang und auf die Gewächshäuser zurannte, ignorierte sie. Sie betrachtete zunächst das Wohnhaus, das zu ihrer Rechten stand. Es war viel zu groß für eine einzelne Person und so vernachlässigt, wie man es von der Behausung eines einsamen Gelehrten erwartete.
    Wie Werner schon gesagt hatte: Der Garten war verwahrlost. Man konnte unmöglich entscheiden, wo das Privatgrundstück endete und der Wildwuchs begann. Nur in unmittelbarer Nähe des zweiteiligen Gewächshauses waren die alles überwuchernden Brombeerhecken zurückgeschnitten (vermutlich, damit sie den Lichteinfall nicht störten), und natürlich führte ein gerodeter Weg zum Eingang des ersten Glashauses, einen Meter breit. Längst bemühten sich die Hecken, diese Furt zurückzuerobern – mit fingerdicken, stachelbewehrten Trieben schoben sie sich von beiden Seiten in den freien Raum. Die kräftigsten Arme krochen nicht über den Boden, sondern schoben sich in einer Höhe von anderthalb bis zwei Metern durch die Luft. In naher Zukunft würde hier vorübergehend ein natürlich überdachter Weg entstehen, ehe die Passage völlig verschwand. Selbst wenn man einberechnete, dass Eberhard Aspen seit sechs Wochen in seinem Klinikbett lag, war klar, dass er dem Garten schon vorher viele Freiheiten gelassen hatte.
    Der Himmel war locker bewölkt. Alle Naselang linste die Sonne hervor und schickte ihnen ein

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