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Die neuen Leiden des jungen W

Die neuen Leiden des jungen W

Titel: Die neuen Leiden des jungen W Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urlich Plenzdorf
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Sein erster!
    Und ich:
    Er ist der pünktlichste Narr, den es nur geben kann; Schritt vor Schritt und umständlich wie eine Base, ein Mensch, der nie mit sich selbst zufrieden ist und dem es daher niemand zu Danke machen kann.
    Das war endlich mal wieder Old Werther. Zaremba riß seine Schweinsritzen auf und knurrte: No! Das sag du nicht!
    Er war der erste, den dieses Althochdeutsch nicht aus dem Sattel warf. Es hätte mir auch leid getan. Ich gebe allerdings zu, ich hatte für ihn eine ziemlich normale Stelle ausgesucht. Ich weiß nicht, ob das einer versteht, Leute. Ein paar Tage später kam es dann zum Treffen. Addi und die Truppe baute die Spritze auf dem Hof von einem dieser ollen Häuser auf und schloß sie an. Zwei Experten waren aus irgendeiner Spezialbude gekommen mit einem ganzen Kasten voller Düsen, jede anders. Die sollten nun durchprobiert werden. Große Show. Alles mögliche Volk robbte an. Die ganzen Töpfer und Maurer und was sonst noch in den Häusern rumkroch. Es klappte mit keiner Düse. Entweder es kam ein armdicker Strahl raus, oder es nebelte wie ein Rasensprenger. Die Experten waren von vornherein nicht besonders optimistisch, rückten aber jede Düse raus. Addi ließ einfach nicht locker. Er war ein Steher. Bis er dann zum kleinsten Kaliber griff, und dafür war dann einfach der Druck zu groß. Der olle Schlauch platzte, und wer im Umkreis von zehn Metern stand, war gelb wie ein Chinese oder was. Vor allem Addi. Der Heiterkeitserfolg war einmalig bei dem ganzen Volk.
    Die Experten meinten: Laßt man. Uns ist das nicht besser gegangen, und wir haben alles! Nichts zu machen! Technisch nicht lösbar, jedenfalls heute noch nicht. Das liegt nicht an den Düsen.
    Und dann kam ich und zückte meine Werther-Pistole:
    Es ist ein einförmiges Ding um das Menschengeschlecht. Die meisten verarbeiten den größten Teil der Zeit, um zu leben, und das bißchen, das ihnen von Freiheit übrigbleibt, ängstigt sie so, daß sie alle Mittel aufsuchen, um es loszuwerden.
    Die Experten dachten wohl, ich war der Clown der Truppe. Sie grinsten jedenfalls. Aber die Truppe selbst kam langsam auf mich zu, vorneweg Addi. Sie wischten sich immer noch die gelbe Soße aus den Gesichtern. Ich nahm die Fäuste hoch, im Fall der Fälle, aber es kam doch zu nichts. Addi fauchte bloß kalt: Hau ab! Hau bloß ab, sonst garantier ich für nichts.
    Ich konnte sein Gesicht nicht richtig erkennen. Ich hatte selbst noch das Farbzeug in den Augen. Aber es hörte sich ganz so an, als wenn er kurz vorm Heulen war. Addi war über zwanzig. Ich wußte nicht, wann ich das letztemal geheult hatte. Es war jedenfalls eine Weile her. Vielleicht haute ich deswegen tatsächlich sofort ab. Kann sein, ich hatte den Bogen überspannt oder was. Ich hoffe, es hält mich deswegen keiner für feige, Leute. Als Boxer darf man sich ja sowieso nicht richtig wehren. Trifft man dumm, heißt es gleich: Sperre. Außerdem war da Zaremba, und der gab mir zu verstehen: Mach dich weg. Es ist das beste im Moment! Das war das vorläufige Ende meines Gastspiels als Anstreicher bei Addi und Genossen.
    Es war übrigens ein Sauwetter an dem Tag. Ich hechtete mich auf meine Kolchose. Als erstes diktierte ich für Old Willi auf das neue Band:
    Und daran seid ihr alle schuld, die ihr mich in das Joch geschwatzt und mir so viel von Aktivität vorgesungen habt. Aktivität!... Ich habe meine Entlassung... verlangt... Bringe das meiner Mutter in einem Säftchen bei. Ende.
    Ich fand, das paßte großartig.

    »Ich hab ihn einfach gefeuert! Nicht, daß wir uns abkapseln wollten. Jonas zum Beispiel kam aus dem Bau zu uns. Aber bei uns sammelt sich sowieso allerhand Volk, das nichts kann und meistens auch nichts will. Es ist nicht leicht, eine Truppe zusammenzukriegen, mit der man einigermaßen was anfangen kann.«
    »Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen! Edgar war vielleicht bloß ein Spinner und ein Querkopf, ewig vergnatzt, unfähig, sich einzufügen, und faul, was weiß ich...«
    »Na, sachte! Vergnatzt war er eigentlich nie, jedenfalls bei uns nicht. Und ein Querkopf... ? Aber Sie müssen ihn besser kennen.«
    »Wie denn kennen? Ich hab ihn seit seinem fünften Lebensjahr nicht gesehen!«
    »Ja, das wußte ich nicht. — Das heißt, Moment! Edgar hat Sie besucht. Er war doch bei Ihnen!«

    Halt die Fresse, Addi!

    »Er hat noch geschwärmt. Sie haben eine Atelierwohnung, nach Norden raus, alles voller Bilder, herrlich vergammelt.«

    Halt doch die Fresse,

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