Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Konquistadoren den Goldpreis abstürzen ließ. Sodann befassten sie sich mit der weiteren Herrschaftsnahme, wobei sie vom nunmehr eingesetzten Marionettenkönig ebenso profitierten wie vom vorbildlichen Straßennetz der Inka. Und doch betrachteten sie das Reich etwas voreilig als unterworfen und mussten sich in den 1530 er-Jahren mit heftigen Aufständen auseinandersetzen. Angesichts von Streitigkeiten in den Reihen der Konquistadoren schienen diesmal die Inka im Vorteil. Aber die Spanier obsiegten. Nur der legendäre letzte Inka-König Túpac Amaru konnte sich mit einem Rest der Inka noch bis 1572 halten, dann wurde auch er besiegt und in der Hauptstadt Cuzco öffentlich hingerichtet. Um diese Zeit wurde wohl auch Machu Picchu aufgegeben.
Ihr Rätsel hat sich die Andenstadt Machu Picchu bis heute bewahrt, auch wenn die Forscher weiter eifrig dabei sind, ihm auf die Spur zu kommen und dabei mehr oder weniger tragfähige Theorien aufzustellen. Die zahlreichen, mitunter recht wilden Spekulationen rühren nicht nur daher, dass Machu Picchu die Archäologen mit Funden nicht eben verwöhnt, sondern auch von der idealistischen bis handfest tagespolitisch motivierten Interpretation. Der Bonner Ethnologe Berthold Riese beklagt denn auch, dass die Stadt planvoll verlassen, der Nachwelt also sozusagen besenrein übergeben wurde und sie daher archäologisch ziemlich unergiebig ist. Auch daher sollte sich der Besucher der Andenstadt von allen möglichen Orts- und Gebäudebezeichnungen nicht irreleiten lassen, die ihm unterkommen werden, da sie fast ausschließlich aus der Zeit nach dem Endedes Inka-Reiches stammen und oft Bestimmungen und Nutzungen suggerieren, die sich durch nichts belegen lassen.
Unter den angepriesenen Erklärungen, was es mit Machu Picchu genau auf sich haben könnte, befindet sich auch eine kosmologische – danach ist die Stadt ebenjene, aus der die ersten Inka stammten, die dann das stolze Reich aufbauten. Unter anderem hat sie Bingham vertreten, dem allerdings erkennbar daran gelegen war, zum Zwecke des eigenen den Ruhm seiner Entdeckung zu mehren. Die Anhaltspunkte dafür sind nämlich ausgesprochen vage. Mehr für sich hat die These, der Inka-König Pachacútec habe Machu Picchu als seinen Altersruhesitz ausbauen lassen – es war ja im Inka-Reich durchaus gängig, dass ein König aus Altersgründen die Regierung abgab und sich zurückzog. Einer weiteren Vermutung zufolge könnte die Stadt der Verteidigung gegen feindlich gesinnte Völker gedient haben, die nicht weit entfernt siedelten. Allerdings fehlt der Ruinenstadt der Charakter einer Inka-Garnisonsniederlassung. Auch als Sitz des letzten Inka-Herrschers Túpac Amaru, der in Peru Heldenstatus genießt, wird Machu Picchu gern verklärt, wofür allerdings konkrete Anhaltspunkte fehlen, auch wenn die Stadt als Rückzugsort der frühen Kolonialzeit gedient haben mag, als die Spanier die Inka noch nicht restlos unterworfen hatten. Nicht allzu weit entfernt liegt eine weitere Andenstadt der Inka, älter und größer als Machu Picchu. Sie war das letzte Refugium der von den Spaniern bedrängten Inka, bis 1572 auch hier die Ära der Sonnenkinder zu Ende ging. Auch auf die Suche nach Machu Picchu machten sich Pizarros gierige Männer, in der Hoffnung auf weitere reiche Goldbeute, konnten die Stadt aber nicht finden.
Ebenso wenig nachweisbar, aber höchst romantisch ist die Interpretation der vergessenen Stadt als Zuflucht der von denSpaniern vertriebenen Sonnenjungfrauen. Diese Priesterinnenkaste wurde aus zehnjährigen Mädchen gebildet, die schönsten aus dem ganzen Reich. Sie wurden für religiöse und staatliche Zwecke ausgebildet und lebten in Konventen überall im Land, die Auserwählten unter ihnen im Sonnentempel von Cuzco – wenn sie nicht an den Hochadel verheiratet, vom König zu Konkubinen gemacht oder geopfert wurden.
Die unklare Bestimmung der aufgelassenen Andenstadt mag zu ihrer Anziehungskraft nicht unerheblich beigetragen haben. Jedenfalls eignet sie sich damit vorzüglich als strapazierfähige Projektionsfläche – bis hin zu den Fantasien moderner Esoterikjünger. Seitdem Hiram Bingham Machu Picchu berühmt gemacht hat, entwickelte sich der entlegene Flecken zu einer der meistbesuchten touristischen Stätten Lateinamerikas. Sie rollen meist in Bussen vom Urumbamba über die Serpentinenstraße namens Hiram-Bingham-Highway ein, während der beschwerliche alte Inka-Pfad von Cuzco auf Authentizität bedachten Rucksacktouristen
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