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Die Neunte Gewalt

Titel: Die Neunte Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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herumkrochen. Doch deren Opfer blieben tot, genau wie die seinen. Nach seiner Begegnung mit Peet lag er lange Wochen im Krankenhaus und dachte über den Verlauf nach, den sein Leben genommen hatte. Er war nicht mehr damit zufrieden. Überall war Tod; sein gesamtes Dasein wurde vom Tod definiert. Nichts hatte sich geändert, und nichts würde sich jemals ändern, bis er eine Möglichkeit gefunden hatte, sich selbst wieder Leben einzuhauchen.
    Aber wie? Der Fährmann betrachtete die Welt und sah Schmerz. Überall, wohin er blickte, nahm er Menschen wahr, denen man Unrecht zugefügt hatte und die sich nicht selbst rächen konnten. Man hatte ihnen die Herrschaft über ihr Leben genommen. Oftmals trug das System daran Schuld, ein System, zu dem er selbst einmal gehört hatte. Ein System, für das er getötet hatte. Er kam zur Erkenntnis, daß er am besten wieder wirklich leben konnte, indem er anderen half, ebenfalls zu ihrem eigenen Leben zurückzufinden. Indem er ihnen in der Hoffnung, ihn selbst ergreifen zu können, einen Rettungsring zuwarf.
    Und so begann er mit der Tilgung, – mit den Rückzahlungen. Zuerst langsam und unregelmäßig, bis sich die Nachricht herumsprach und er mehr Hilfeersuche bekam, als er erfüllen konnte. Es gab keine feststehende, bestimmte Möglichkeit, wie man Kimberlain erreichen konnte. Doch die Nachricht verbreitete sich weiterhin. Die Menschen, die seiner Hilfe bedurften, schienen ihn irgendwie immer finden zu können, und er half ihnen, weil er sich damit selbst helfen konnte. Wie viele Leben hatte er als Caretaker genommen oder zerstört? Kimberlain hatte sie damals nicht gezählt, genausowenig, wie er jetzt die Menschen zählte, denen er mit seiner Tilgung, seinen Rückzahlungen half. Er wußte, daß er ein Gleichgewicht erlangen mußte und daß er es wissen würde, wenn er es erreicht hatte. Bis dahin würde er mit den Rückzahlungen weitermachen.
    Ihm blieben weitere Grübeleien erspart, als er zwei Stunden vor Sonnenaufgang die Privatstraße erreichte, die zu seiner Hütte führte. Er bahnte sich in einem Allrad-Pathfinder den Weg hinauf über die ungepflasterte Straße und überprüfte an verschiedenen Punkten der Fahrt die Alarmanlagen und Warnsysteme, die er überall um die Hütte installiert hatte. Es war kein Alarm ausgelöst, keine Falle aktiviert worden. Die Hütte befand sich in dem Zustand, in dem er sie verlassen hatte.
    Er befand sich auf halber Strecke zwischen dem Pathfinder und der Veranda, als er den Zettel sah, den jemand an die Eingangstür der Hütte geheftet hatte. Er flatterte im Wind wie ein Hemd auf einer Wäscheleine. Erst als der Fährmann so nah vor dem Zettel stand, daß er ihn berühren konnte, war es ihm möglich, die Druckbuchstaben zu entziffern:
    Kam so schnell her, wie ich konnte. Leider habe ich Dich verpaßt. Werde mich wieder melden.
    Die Worte ergaben wenig Sinn, bis der nächste Windstoß den umgeknickten unteren Teil des Zettels herunterschlug und die Unterschrift enthüllte:
    Andrew Harrison Leeds

 
DIE ZWEITE GEWALT
SPUREN
    Samstag, 15. August, 6 Uhr
7
    »Wir werden so schnell wie möglich von hier verschwinden«, versprach Lauren Talley.
    »Kein Grund zur Eile. Das werde ich auch.«
    »Endgültig?«
    »Bis diese Sache vorbei ist. Meine Sicherheitsvorkehrungen wurden durchbrochen. Wenn ich hier bleibe, wird Leeds oder einer der anderen zurückkommen.« Talley hatte es in Rekordzeit nach Vermont geschafft, innerhalb von drei Stunden, nachdem sie Kimberlains Anruf entgegengenommen hatte. Sie war mit demselben Lear-Jet wie am Vortag geflogen – und wieder, so behauptete sie, zum Verdruß des FBI.
    »Sie bekommen allmählich Übung darin, gegen die Regeln zu verstoßen, Miss Talley.«
    »Es hält sich in Grenzen, Fährmann.«
    Kimberlain kniff die Augen zusammen. »Wie ich sehe, haben Sie in den Akten gewühlt.«
    »Nur in einer. Mich interessierten besonders weitere Einzelheiten über Ihre Rückzahlungen.«
    »Ach ja?«
    »Aus persönlichen Gründen. Wie Sie sich erinnern, haben wir eine Vereinbarung getroffen. Ich habe Ihnen den freien Zutritt zur Anstalt verschafft. Sie helfen mir bei Tiny Tim.«
    »Und das heißt …«
    »Ein Besuch in der Stadt, die er vor drei Tagen überfallen hat, damit Sie uns sagen können, was wir übersehen haben.«
    »Später.«
    »Das reicht mir nicht.«
    »Muß es für den Augenblick aber. Ich will hören, was Sie erfahren haben.«
    Die Beamten der Spurensicherung, die sie begleitet hatten, suchten noch immer

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