Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen
ersten Woche fühlte ich mich, als wäre ich auf den Kopf gestellt worden. Dies war eine Stadt der Alten Welt, und sie hatte nichts mit New York zu tun, mit seinen langsamen Himmeln und chaotischen Straßen, seinen sanften Wolken und aggressiven Gebäuden. Ich war entwurzelt, und das verunsicherte mich plötzlich. Ich fühlte, wie sich mein Griff lockerte, und mindestens einmal in der Stunde musste ich mich selbst daran erinnern, warum ich hier war.
Mein Französisch war weder gut noch schlecht. Ich konnte genug, um zu verstehen, was die Leute zu mir sagten, aber das Sprechen fiel mir schwer, und manchmal bekam ich kein Wort über die Lippen oder brachte die einfachsten Dinge nur mit Mühe heraus. Ich fand, glaube ich, ein gewisses Vergnügen daran – die Sprache als eine Sammlung von Lauten zu erleben, gezwungen zu sein, sich an die Oberfläche der Worte zu halten, wo die Bedeutungen verschwinden –, aber es war auch ziemlich anstrengend und bewirkte, dass ich mich in meinen Gedanken einschloss. Um zu verstehen, was die Leute sagten, musste ich im Stillen alles ins Englische übersetzen, was hieß, dass ich, selbst wenn ich verstand, nur mit einigem Abstand verstand – die doppelte Arbeit machte und im Ergebnis nur die Hälfte begriff. Nuancen, unterschwellige Assoziationen, Unterströmungen – das alles ging mir verloren. Letzten Endes wäre es wahrscheinlich nicht falsch zu sagen, dass mir alles verlorenging.
Trotzdem machte ich weiter. Ich brauchte einige Tage, um mit meinen Nachforschungen anfangen zu können, aber sobald ich meinen ersten Kontakt aufgenommen hatte, folgten andere nach. Es gab jedoch eine Reihe von Enttäuschungen, Wyshnegradsky war tot; ich konnte keinen der Leute ausfindig machen, denen Fanshawe Nachhilfestunden in Englisch gegeben hatte; die Frau, die Fanshawe bei der New York Times eingestellt hatte, war fort, hatte schon seit Jahren nicht mehr dort gearbeitet. So etwas war zu erwarten gewesen, aber es traf mich hart, denn ich wusste, dass auch die kleinste Lücke verhängnisvoll sein konnte. Das waren leere Stellen für mich, weiße Flecken auf dem Bild, und gleich, wie erfolgreich ich die anderen Flächen ausfüllte: Zweifel würden bleiben, und somit würde die Arbeit nie wirklich beendet werden können.
Ich sprach mit den Dedmons, ich sprach mit den Kunstbuchverlegern, für die Fanshawe gearbeitet hatte, ich sprach mit der Frau namens Anne (es stellte sich heraus, dass sie seine Freundin gewesen war), ich sprach mit dem Filmproduzenten. «Er machte Gelegenheitsarbeiten», sagte er mir in einem Englisch mit russischem Akzent. «Übersetzungen, Zusammenfassungen von Drehbüchern. Er schrieb ein wenig für meine Frau. Er war ein kluger Junge, aber zu steif. Sehr literarisch, wenn Sie wissen, was ich sagen will. Ich wollte ihm eine Chance geben zu spielen – ich bot ihm sogar Fecht- und Reitstunden für einen Film an, den wir drehen wollten. Mir gefiel sein Aussehen, ich dachte, wir könnten etwas aus ihm machen. Aber er war nicht interessiert. Ich habe andere Eier zu braten, sagte er. Oder so etwas Ähnliches. Es machte nichts. Der Film spielte Millionen ein, und was geht es mich an, ob der Junge Schauspieler sein will oder nicht?»
Hier gab es etwas, dem man nachgehen musste, aber als ich bei diesem Mann in seiner imposanten Wohnung in der Avenue Henri Martin saß und auf jeden Satz seiner Geschichte zwischen Telefonanrufen wartete, wurde mir plötzlich klar, dass ich nicht mehr zu erfahren brauchte. Wichtig war nur eine Frage, und dieser Mann konnte sie mir nicht beantworten. Wenn ich blieb und ihm weiter zuhörte, würde ich mehr Einzelheiten, mehr Belanglosigkeiten aufnehmen und einen weiteren Stapel nutzloser Notizen anhäufen. Ich hatte nun zu lange vorgegeben, ein Buch zu schreiben, und nach und nach hatte ich mein eigentliches Ziel vergessen. Genug, sagte ich mir und ahmte bewusst Sophie nach, genug davon, und dann stand ich auf und ging.
Das Entscheidende war, dass mich niemand mehr beobachtete. Ich brauchte nicht mehr, wie zu Hause, den Schein zu wahren, ich brauchte Sophie nicht mehr mit endloser Geschäftigkeit zu täuschen. Die Scharade war vorüber. Ich konnte mein nicht existierendes Buch endlich ad acta legen. Ungefähr zehn Minuten lang, als ich über den Fluss zu meinem Hotel zurückging, fühlte ich mich glücklicher als seit Monaten. Alles war einfacher, auf die Klarheit eines einzigen Problems reduziert worden. Aber dann, in dem Moment, als ich diesen
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