Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen
der eindeutigen Hinweise kann sich Blue des Gefühls nicht erwehren, dass letztlich alles mit Absicht geschehen ist und dass Black nun begonnen hat, ihn herauszufordern, ihn sozusagen zu gängeln, ihn auf das Ende hinzudrängen, was immer für ein Ende er im Sinn hat.
Dennoch, Blue ist zu etwas durchgestoßen, und zum ersten Mal seit Beginn des Falles steht er nicht mehr dort, wo er war. Normalerweise würde Blue solch einen kleinen Triumph feiern, aber heute Abend ist er nicht in der Stimmung, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Er ist vor allem traurig und von der Welt enttäuscht und kann sich nicht mehr begeistern. Irgendwie haben ihn die Fakten zuletzt im Stich gelassen; es fällt ihm schwer, es nicht persönlich zu nehmen, und er weiß sehr wohl: wie immer er sich den Fall darstellt, er ist auch ein Teil davon. Dann geht er zum Fenster, blickt über die Straße hinüber und sieht, dass nun in Blacks Zimmer das Licht an ist.
Er legt sich auf das Bett und denkt: Leben Sie wohl, Mr. White. Sie waren nie wirklich da, nicht wahr? Es gab nie einen White. Und dann: armer Black. Arme Seele. Armer verhinderter Niemand. Und dann, als seine Lider schwer werden und ihn der Schlaf überkommt, denkt er, wie seltsam es ist, dass alles seine eigene Farbe hat. Alles, was wir sehen, alles, was wir berühren – alles auf der Welt hat seine eigene Farbe. Er kämpft, um noch ein wenig länger wach zu bleiben, und beginnt, eine Liste aufzustellen. Nehmen wir beispielsweise Blau, sagt er. Es gibt Blauhäher und blaue Reiher. Es gibt Kornblumen und Strandschnecken. Es gibt den Mittag über New York, es gibt Blaubeeren und den Pazifik. Es gibt blaue Bänder und blaues Blut. Eine Stimme singt die Blues. Da ist die Polizeiuniform meines Vaters. Da sind meine Augen und mein Name. Er unterbricht sich, findet plötzlich nichts Blaues mehr und geht weiter zu Weiß. Die Möwen, sagt er, und Seeschwalben und Störche und Kakadus. Die Wände dieses Zimmers und die Leintücher auf meinem Bett. Die Maiglöckchen und Nelken und die Blütenblätter der Gänseblümchen. Die Friedensfahne und die chinesische Trauerfahne. Muttermilch und Sperma. Meine Zähne. Das Weiße in meinen Augen. Es gibt Weißbarsche und Weißkiefern und weiße Ameisen. Das Haus des Präsidenten. Weißfäule und Weißglut. Und ohne Zögern geht er über zu Schwarz; er beginnt mit schwarzen Listen, dem Schwarzmarkt und der Schwarzen Hand. Die Nacht über New York, sagt er. Die Chicago Black Sox. Es gibt Brombeeren und den Schwarzen Dienstag und den Schwarzen Tod. Mein Haar. Die Tinte, die aus der Feder fließt. Die Welt, die ein Blinder sieht. Dann, als er schließlich des Spiels müde wird, beginnt er sich treiben zu lassen und sagt sich, dass es endlos so weitergeht. Er schläft ein, träumt von Dingen, die vor langer Zeit geschahen, und wacht mitten in der Nacht plötzlich auf. Er geht wieder im Zimmer auf und ab und denkt darüber nach, was er als Nächstes tun will.
Gegen Morgen fängt er an, sich mit einer anderen Verkleidung zu beschäftigen. Diesmal entscheidet er sich für den Fuller-Bürsten-Mann, ein Trick, den er schon mal angewendet hat, und in den nächsten zwei Stunden stattet er sich nach und nach geduldig mit einer Glatze, einem Schnurrbart und Altersfalten um die Augen und den Mund aus. Er sitzt vor seinem kleinen Spiegel wie ein alter Varietékünstler auf Tournee. Kurz nach elf Uhr nimmt er seinen Koffer mit Bürsten und geht über die Straße zu Blacks Haus. Das Schloss der Eingangstür zu öffnen, ist für Blue ein Kinderspiel, und als er in den Flur schlüpft, kann er nicht umhin, etwas von der alten Spannung zu verspüren. Keine Grobheiten, ermahnt er sich selbst, als er die Treppen zu Blacks Stockwerk hinaufgeht. Dieser Besuch dient nur dazu, einen Blick hineinzuwerfen und den Raum abzustecken. Trotzdem hat der Augenblick etwas Erregendes, das Blue nicht ganz unterdrücken kann. Denn er weiß, es geht nicht nur darum, das Zimmer zu sehen – es ist der Gedanke, selbst dort zu sein, innerhalb dieser vier Wände zu stehen, die gleiche Luft wie Black zu atmen. Von nun an, denkt er, wird alles, was geschieht, alles andere beeinflussen. Die Tür wird sich öffnen, und danach wird Black für immer in ihm sein.
Er klopft, die Tür geht auf, und plötzlich gibt es keine Entfernung mehr, das Ding und der Gedanke an das Ding sind ein und dasselbe. Black steht in der Tür, mit einem Füllfederhalter ohne Kappe in der rechten Hand, so als wäre er bei der
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