Die Niete Im Bett
weise.
Der Wirt kommt und bringt neue Getränke, und wir hocken nebeneinander am Tresen und wirken auf andere bestimmt wie zwei mental gestrauchelte Fernfahrer, deren einziger Lichtblick an diesen Abend noch die Lektüre der St.-Pauli-Nachrichten sein wird.
Sarah
»Nein danke.«
»Und wenn ich ›bitte‹ sage?«
Sarah muss lachen. Dieser Nils scheint nicht lockerzulassen. Außerdem gefällt er ihr. Sie haben sich bis jetzt hier im Silbersack gut unterhalten. Er ist rein äußerlich – zum Thema innere Werte kann sie noch nichts sagen, und das interessiert sie auch nicht sonderlich – das absolute Gegenteil von Leo, von der Größe und den breiten Schultern mal abgesehen. Nils ist blond, hat wirklich sehr schöne dunkle Augen und sieht ein bisschen wie ein »guter« Surflehrer aus, also so wie einer, der nicht tumb irgendwelche Weiber abschleppt. Er wirkt sehr sportlich und durchtrainiert. Nils hat ihr erzählt, dass er Sport toll findet. Er muss auch nie seinen inneren Schweinehund überwinden, weil er nämlich keinen hat. Leo hat immer gesagt, dass er genug Sport hat, wenn er am Herd steht, und wollte mit ihr am liebsten immer nur auf dem Sofa rumhängen. Ach, so ganz stimmt das ja auch nicht, Leo ist immerhin Laufen gegangen. Mit dieser komischen Mia, die Sarah immer angesehen hatte, als sei sie eine Kakerlake. Sarah wusste selbst nicht, was los war. Sie wusste nur, dass Leo ihr auf die Nerven ging. Am Anfang war es noch okay gewesen mit ihm, aber in nur ganz kurzer Zeit hatte sich das geändert.
»Na komm, nur ein Bier!« Nils setzt jetzt einen Welpenblick auf.
»Also gut, eins.« Das ist ja nicht verpflichtend. Zur Not drückt Sarah ihm nachher drei Euro in die Hand.
»Bist du öfter hier?«, kommt dann auch gleich die obligatorische Frage.
»Nein, ich war schon ewig nicht mehr hier«, antwortet sie und muss dabei fast brüllen. An einem Wochenende ist auf dem Kiez nun mal die absolute Hölle los und in den Kneipen kaum ein Durchkommen.
»Ich zum ersten Mal!«, schreit Nils. »Bin nämlich gerade erst nach Hamburg gezogen. Ich komme aus Kiel.«
»Echt?«, brüllt Sarah und findet die Frage gleich darauf bescheuert. Was soll er denn darauf sagen? »Höhö, nee, hab dich reingelegt, ich komm aus München/Ratingen/Goddelau-Erfelden!«
Nils schreit allerdings schon weiter. Und sie schreit zurück. Dann schreit wieder er. Dann wieder sie. So kann man einen Abend auch rumkriegen. Aber es ist lustig. Sie singen zu Freddy Quinns »Heimweh nach St. Pauli«, und Sarah trällert fröhlich: »Ich hab Heimweh nach St. Pauli. Nach St. Pauli und der Reeperbahn. Denn es gibt nur ein St. Pauli. Und es gibt nur eine Reeperbahn. Schiff ahoi! Schiff ahoi! Glaube mir, ich bleib dir treu. Schiff ahoi! Schiff ahoi! Glaube mir, ich bleib dir treu.«
Es ist sooo schön!
Bonnie hat auch ihren Spaß. Sie flirtet mit irgendeinem Andreas, und Sarah verlässt irgendwann mit Nils den Silbersack , weil sie frische Luft brauchen. Draußen in der Silbersackstraße fangen sie an zu knutschen, und selbst beim Küssen ist Nils sehr sportlich, wie Sarah findet.
Davon kann sich Leo mal eine Scheibe abschneiden. Dabei war Leo ja auch okay. Okay eben. Leo eben.
Bei Nils ist es halt irgendwie anders.
Leo
Am nächsten Morgen sieht die Welt ja immer schon wieder anders aus. Ein neuer Tag beginnt, und alle Sünden der vergangenen Nacht sollen vergessen sein. So oder so ähnlich heißt es doch. Ich wache auf und will eigentlich nur aufs Klo gehen, aber es gelingt mir nicht, weil ich irgendwo festklemme. Ein paar Sekunden später merke ich, dass ich nicht festklemme, sondern dass Mr. Bean neben beziehungsweise auf mir liegt und mich beinahe unter sich begraben hat.
Nein.
Nein!
NEIN !!!
Bitte das jetzt nicht auch noch. Bitte, lieber Gott, wenn es dich gibt, lass mich nicht schwul oder bisexuell geworden sein. Ich werde auch nie mehr was trinken, ich verspreche es. Ich werde auch nie mehr Oger rufen und Polizeifahrzeuge beschädigen und Passanten erschrecken. Ich werde mich ehrenamtlich um Straffällige kümmern. Siebenmal pro Woche. Ehrlich.
Nun mal langsam. Tief durchatmen. Ein, aus, ein, aus. Das geht doch. So. Nun nachdenken. Was war denn gestern noch? Nach dem Goldenen Handschuh sind wir noch am Silbersack vorbeigelaufen und fast über ein knutschendes Pärchen gestolpert. Die Frau hat man kaum gesehen, weil der blonde Typ ein Wikingerverschnitt war und sie quasi aufgefressen hat. Der Kerl hat mich noch blöde angegrinst und »Nur
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