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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Zeigefinger, roch an dem dunklen, roten Saft, der wie Blut aussah, jedoch süßer roch, berührte dann schnell und zart eines der Saft-Rinnsale mit ihrer Zunge. Selbst dieses winzige Kosten brachte sie ins Schweben. Sie zögerte. Die Früchte waren kleiner, aber sie brauchte die Energie, die sie ihr geben würden … brauchte sie, obwohl sie ahnte, daß sie später dafür bezahlen mußte.
    Während die Droge in ihrem Blut sang, trabte sie die zunehmende Steigung hinauf. Die einzige Vorstellung, an der sie sich festhalten konnte, war der Gedanke, nach Hause zu kommen, an den Wan, der sie beruhigte und beschützte. Zu Hause. Sie rannte durch Muster aus Schwarz und Weiß, dann durch Weiß auf Weiß, dann gab es keine Muster mehr, nur noch sich bewegende, schmelzende Farben, und sie hetzte dennoch weiter, über Gestein, das vor und hinter ihr flüssig wurde, bis sie manchmal unbekümmert auf Luft rannte, einer Linie folgte, die sich wie ein purpurblauer Faden vor ihr abrollte.
    Lange nachdem die Sonne den Himmel verlassen hatte, taumelte sie erschöpft und orientierungslos aus dem Nebelland. Zum ersten Mal seit Tagen konnte sie das Mambila-Netz wieder sehen, und selbst in ihrem Drogendunst war sie erstaunt darüber, wie dünn und ausgefranst es geworden war. Große Löcher klafften in dem netzförmigen Glanz, und ein gewaltiger, schwarzer Bogen im Westen zeigte an, daß sich die Mutter Erde auf Mambilas Maul zubewegte. Die kühle Luft wehte durch zuckende Muster in ihr Gesicht, Muster, die so zerbrechlich und geisterhaft wurden wie das sich auflösende Netz. Noch immer darauf konzentriert, nach Hause zu kommen, fand sie sich plötzlich wieder imstande, an andere Dinge zu denken. Der Gestank der Ei-Dämonen klebte intensiv am Boden. Sie gehen fort, dachte sie.
    Sie zwang sich weiterzulaufen, in einem stumpfsinnigen, automatischen Ausschreiten weiterzulaufen, das sie schließlich zur Lichtung der Nafa brachte.
    Das Tor war geschlossen, die Mauern des Unterschlupfes waren verlassen, aber sie hörte die Klänge von Stimmen aus dem Innern und spürte eine Woge von Haß, ein dumpfes Erhitzen ihres Körpers, durch die Erschöpfungswellen nur schwach wahrnehmbar. Es gab nichts, was sie tun konnte. Nichts. Sie umrundete die Lichtung und schleppte sich mühsam einen Pfad entlang, den sie und Rihon viele Male entlanggelaufen waren. Sie wagte nicht stehenzubleiben, wagte nicht einmal, sich an einem der Bäume festzuhalten und eine Weile auszuruhen, da sie fürchtete, daß sie, wenn sie tatsächlich anhielt, ihren schmerzenden Körper nie wieder in Bewegung setzen konnte. Sie passierte ein Stück Gartenland. Er war verlassen, aber die Frauen lie
    ßen nicht immer Wachen zurück, um lästige Nuggar zu verjagen. Sie registrierte Rauch. Zuerst gewahrte sie nur einen flüchtigen Hauch in der Luft, die an ihrem Gesicht vorbei wehte, dann hielt sie langsam und ängstlich an und schnüffelte. Rauch. In der Luft hängend wie Nebel im Nebelland. Beinahe hätte sie sich abgewandt - aus Angst, sich dem zu stellen, was sie ihres Wissens nach sehen mußte, wenn sie auf die Dorflichtung hinaustrat. Sie machte einen Schritt, dann noch einen und noch einen.
    Die Hütten waren Haufen von Asche und geschwärzten Pfählen, die sich in steilen Winkeln erhoben oder flach am Boden lagen. Verkohlte Leichen lagen überall verstreut, hier und da schimmerten Knochen bleich im Licht des Netzes. „Rum Fieyl”, flüsterte sie. Dann wandte sie sich langsam dem Geiserhaus zu, und ihre Füße wühlten Asche auf, bis sie inmitten einer Wolke ging. Sie blieb einen Lidschlag lang stehen, als sie andere Spuren, Körper und Flecken in der Asche sah. „Churr”, hauchte sie und mußte husten, als Asche in ihre Nase und Kehle drang. „Und die Krieger. Oh, Heller Zwilling, wären sie nur rechtzeitig gekommen. Es hätte … hätte … einen Unterschied machen können.”
    In der Mitte des Dorfes waren drei kopflose Leichen in die Asche des Geisterhauses geworfen worden. Eine war eine Frau. „Serk”, murmelte Roha. Ein vernarbter und übel zugerichteter Mann.
    „Niong.” Sie berührte seinen Körper mit dem Zeh. „Du hast recht gehabt… wir hätten die Fieyl angreifen sollen. Ich …” Sie ging weiter und blieb schließlich über einer schmächtigen, knorrigen Gestalt stehen. „Wan.” Neben ihm fiel sie auf die Knie, streichelte sein verbranntes und zerfetztes Fleisch, und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Betäubt von ihrer Müdigkeit und zu vielen

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