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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Schocks, konnte sie diesen Verlust jetzt nicht wirklich tief empfinden … In ihrem Verstand wußte sie, daß der Schmerz kommen würde, aber ihr Körper wies ihn zurück. Sie stand auf und fegte die Asche von ihren Beinen, vage beunruhigt, als sie den grauen Puder auf den Leichnam des Wan fallen sah. Sie drehte sich in einem langsamen Kreis, warf einen letzten Blick auf das Dorf und ging davon.
    Als sie die Gartenlichtung erreichte, zog sie das Tor auf und trat in die Umfriedung hinein. Hinter sich konnte sie das Brummen und Schnauben von in der Dunkelheit verborgenen Nuggar hören. Als sie zur Seite trat, wurden die Nuggar-Geräusche lauter, signalisierten Unruhe. Sie kniete sich hin, schlang zitternde Finger um die dicke, feste Ranke, die gleich einem Netz die Erde überzog … Roha schloß die Augen, konzentrierte sich darauf, ihre Finger eingehakt zu lassen und zu versuchen, die Knolle freizubekommen. Drei Nuggar wieselten durch die Öffnung, krallten sich in die Erde und begannen zu wühlen; ihre sechs klauenbewehrten Läufe sorgten rasch für eine Verwüstung des Stück Gartenlandes. Mit einem Laut, der fast an einen Seufzer erinnerte, löste sich die Knolle, an der Roha zog, aus der Erde. Sie brach sie vom Stiel ab, blickte auf die wachsende Zahl der Nuggar, die wühlten, quietschten, einander zwickten, während sie sich um die Nahrung balgten, nach der sie gierten. Sie stand auf, hielt die erdverkrustete Knolle fest und betrachtete die wimmelnden Nuggar-Rücken zwischen den peitschenden Blättern. Ich sollte ihnen alle Tore öffnen, dachte sie. Lieber sollen die Nuggar den Lohn der Frauenarbeit bekommen … lieber sie als die Fieyl. Gedankenabwesend wischte sie über die haarige Knolle. Morgen. Es besteht kein Grund zur Eile. Morgen. Sie wich den Nuggar aus, schlängelte sich durch den Torspalt und ging dann langsam auf dem vertrauten Pfad entlang.
    Am Bach hielt sie an, um das Erdreich von der Knolle abzuwaschen, und die frische Kühle des Wassers schreckte sie wach. Ohne sich die Mühe zu machen, ihren ausgefransten Lendenschurz auszuziehen, ließ sie sich in das Wasser hineingleiten und kauerte in dem schnellfließenden Strom, wo sie die Knolle aufbrach und aß; ihr Messer war verloren, zurückgelassen und von den Kinya-Kin-Kin in die Erde gestampft, aber sie brauchte es nicht, da sie die feste Schale mit ihren Krallen abreißen und das faserige, sauere, orange-gelbe Fruchtfleisch zu einer Paste zerkauen und diese mit Schlucken kalten Wassers hinunterspülen konnte.
    Als sie fertig war, wusch sie sich die Hände und den Mund und zog sich widerstrebend aus dem Wasser.
    Nur wenig war zu sehen. Die vereinzelten Sterne und die Fetzen von Mambila spendeten gerade genug Helligkeit durch das Gewölbe der Blätter, um die Stämme als dunkleres Schwarz gegen das angegraute Schwarz der Nachtluft sichtbar zu machen. Als die erste Fülle der aus Wasser und Essen gewonnenen Energie zu schwinden begann, blieb sie stehen und fragte sich, wohin sie gehen, was sie tun sollte, und schließlich begriff sie, daß ihr nur eine Zuflucht geblieben war … ihr Mutterleib-Baum.
    Als sie den Mat-akuat erreichte, hatte sie nicht einmal mehr die Kraft, in die unteren Äste zu steigen. Sie schob sich durch das Gewirr von Luftwurzeln und schmiegte sich auf den dicken Blatthumus rund um den Stamm. Und dann lag sie mit schmerzendem Körper in der Dunkelheit, zu müde, um noch denken zu können, und schwebte umgeben vom scharfen, vertrauten Geruch des Traumsaftes - zwischen Wachen und Träumen … Manchmal sprach sie mit Rihon, der für kurze Momente warm und stark neben ihr und dann grausam plötzlich verschwunden war … Bei anderen Gelegenheiten erkannte sie mit schrecklicher Klarheit den Ruin ihres Lebens und war von einem ätzenden Haß auf die Dämonen erfüllt, einem Haß, von dem sie wußte, daß er sinnlos war — den sie aber trotzdem duldete. Zwischendurch erfüllte sie Sorge … Sie fragte sich, was sie am Morgen mit sich anfangen sollte, ob sie ein Recht oder Verlangen darauf hatte, am Leben zu bleiben. Schließlich überwältigte ihr erschöpfter Körper ihren leidenden Verstand, und sie schlief ein.
    Sie erwachte von lauten Geräuschen und Lichtstrahlen, die über den Himmel wanderten.
    Das Ende der Jagd
    12. Aleytys
    Sie erwachte durch das Klimpern von Glas auf Metall und ein nebelhaftes, graues Licht, das die Farbe aus den Dingen bleichte. Ungeduldig strampelte sie die Decke von sich, sah voller Interesse zu, wie

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