Die Nirgendwojagd
Nach einem kurzen Zögern fuhr er fort: „Die Königin könnte tot ?ein. Soweit ich mich erinnere …”
„Ich weiß.” Und sie hielt seine starke Hand fest und tastete hinaus, erwartungsvoll und zögernd, suchte nach den vertrauten Impulsen von Drij und den Haestavaada. Als sie sie fand, lehnte sie sich wieder an Swardheld, schwach vor Erleichterung.
„Was ist los?” Er zog sie an sich.
„Nichts.” Durch einen Schleier aus Tränen lächelte sie zu ihm hinauf. „Überhaupt nichts, mein Freund. Sie leben noch.” Sie schniefte und verbreiterte ihr Lächeln. „Ich habe die Richtung, in der wir den Transporter finden.”
Swardheld blickte über ihre Schulter hinweg zu der Lichtung, über die noch immer der Kinya-Kin-Kin-Schwarm zog. „Nicht da entlang, hoffe ich.”
Mit einem Lachen drückte sie ihm einen sanften Kuß auf die Hand und entfernte sich von ihm. „Du hast Pech, schätze ich. Wir sind in die falsche Richtung gerannt.”
„Sieht so aus. Was willst du tun? Einen Bogen um die Biester machen?”
„Keine Ahnung. Sie scheinen ziemlich ruhig geworden zu sein.
Madar, ich bin müde.” Geistesabwesend blickte sie sich um, ließ sich dann nieder und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den felsigen Boden. „Ich bin müde und schmutzig und krank von all diesem Sterben. Man hat mir ein Schiff versprochen, Swardheld. Ich versuche immer wieder, nur daran zu denken.”
„Und denkst trotzdem auch an die Vaada auf Duvaks.”
„Das ist es.” Sie seufzte. „Wenn es zu schlimm wird, dann rufe ich mir die sterbenden Vaada ins Gedächtnis zurück. All diese sterbenden Vaada.” Sie rieb sich die Augen. „Glaubst du, der Schwarm ist vorbeigezogen?”
„Ich sehe nach.” Große, geschmeidige Schritte trugen ihn in den Nebel.
Aleytys sah ihm nach. Ich kann mir das nicht leisten, dachte sie.
Mehrere Minunten lang ruhte sie aus, trieb nahe an den Schlaf heran, entspannte sich, bis sie schwebte. Ihr Fühlen dehnte sich mühelos aus, weiter und weiter … Und weiter. Sie straffte sich, als sie darüber nachsann, ob sie die Kraft ganz aufgebraucht hatte, zu der ihr Zugang gewährt war … Das war schon einmal passiert … auf ihrer letzten Jagd, auf der Hasenwelt, hatte sie die Kraft so unbesorgt verbraucht, daß ihr nur mehr Rinnsale und Bodensatz geblieben waren. Sie grübelte darüber nach, ob der sich um die Sterne windende Fluß wirklich ein gutes Sinnbild dafür war … eine Reihe kleinerer Teiche wäre vielleicht passender. Sie wischte diesen unwillkommenen Vergleich beiseite, suchte umher, bis sie endlich einen schwachen, gläsernen Schatten ihres Flusses berührte, ein Sik-kern des Kraft-Wassers daraus entzog und die Erschöpfungsgifte aus ihrem Organismus schwemmte. Als Swardheld zurückkam, war sie auf den Beinen und erwartete ihn.
Die Kinya-Kin-Kin waren weitergezogen. Sie konnte noch hören, wie sich der Schwärm durch das Unterholz des Beckenbodens vorannagte, aber selbst die Nachzügler waren in Nebel und Dunkelheit verschwunden. Neben dem toten Baumstamm blieb sie stehen, strich über das glatte, harte Holz, sah dann zu Swardheld auf, der ein paar Schritte entfernt stand, ein dunkler Schattenriß mit weißem Schimmern, wenn er die Augen bewegte. Die Körperhaltung hatte sich bereits auf feine, kaum merkliche Art und Weise geändert - mehrere kleine Mosaiksteinchen, die sich dennoch zu einem körperlichen Ausdruck des Wechsels der Persönlichkeit summierten. Die Hand noch immer auf dem Holz, fragte sie:
„Wird es klappen?”
Er gab nicht vor mißzuverstehen. „Ich weiß es nicht, Lee.” Er kam näher, berührte ihre Schulter. „Die Zeit wird es zeigen. Wohin jetzt?
Wir haben beide Ruhe nötig.”
Sie zeigte geradeaus, suchte sich zwischen den Körpern der toten Kin hindurch ihren Weg und überquerte die Lichtung.
Beinahe wäre sie auf den Amar getreten, der flach auf dem Bauch ausgestreckt lag und — nahezu unsichtbar in dieser Erdvertiefung das stille Lager beobachtete. Er fauchte und war auf und davon, in den Nebeln verschwunden. Aleytys zuckte zurück, als ein Pfeil ihre Schulter streifte und durch die Blätter eines kleinen Baumes unmittelbar hinter ihr raschelte. Sie hörte Swardheld hinter sich, fuhr herum und ging zu Boden, als er ihren Knöchel packte.
„Verdammt, Lee”, knurrte er, die Stimme zu einem angespannten Flüstern gepreßt. „Du müßtest es besser wissen.”
Vorsichtig drehte sie sich auf den Bauch und rieb ein schmerzendes Gesäß. „Mach das nicht
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