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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Adlern und Königspfauen war.

11
     
    Einen Monat nach ihrer Übersiedelung nach Santa Teresa überbrachte ihm eine der Rektoratssekretärinnen einen Brief von Padilla, der die Anschrift der Universität trug. In dem Brief sprach Padilla vom Wetter in Barcelona, wie viel er trank, von seinem neuen Geliebten, einem Arbeiter bei Seat, achtundzwanzig, verheiratet, Vater dreier Kinder. Er habe, sagte er, die Universität verlassen (ohne dich war es nicht mehr dasselbe) und endlich Arbeit gefunden, als Korrektor in einem Verlag, ein Job, den ihm ein Freund vermittelt habe, etwas langweilig vermutlich, aber sicher und nicht schlecht bezahlt, obwohl er einige Zeilen später schrieb, eigentlich sei es doch ein Hungerlohn, reiche aber zum Leben. Er schrieb auch, dass er sein Studio aufgegeben habe und dass der Maler, der manchmal da gewesen sei, der mit dem goldenen Etui voller Haschischzigaretten, sich vor kurzem in New York umgebracht habe. Obwohl er sich beim Korrigieren von Romanen, die falscher waren als ein Dreitausendpesetenschein, zu Tode langweile, bleibe das Leben, so Padilla, seltsam und voll geheimnisvoller Gaben. Abschließend teilte er mit, dass er angefangen habe, seinen ersten Roman zu schreiben. Worum es darin ging, verriet er allerdings nicht.
    Amalfitano antwortete ihm noch am selben Abend, während er in seinem Zimmer untätig auf dem Bett lag und seine Tochter im Wohnzimmer ein weiteres Video verschlang. Er schilderte in groben Zügen sein Leben in Santa Teresa, die Arbeit, wie wissbegierig seine Studenten waren, an Literatur interessiert, wie ich es selten erlebt habe, eigentlich an allem interessiert, was in der Welt vorging, ohne einen Kontinent oder eine Rasse außen vor zu lassen. Dagegen verlor er kein Wort über seinen neuen Geliebten, einen gewissen Castillo, und darüber, wie schlecht er sich in letzter Zeit seiner Tochter gegenüber verhielt. Zuletzt schrieb er noch, dass er ihn vermisse. Auch wenn es dir komisch vorkommt (und es könnte immerhin sein, dass es dir nicht komisch vorkommt), ich vermisse dich. Im Postskriptum schrieb er, natürlich erinnere er sich an den Typ mit dem goldenen Zigarettenetui, der immer ganz in Leder gekleidet war, und fragte ihn nach dem Grund seines Selbstmords. Im zweiten Postskriptum schrieb er, es sei großartig, dass er einen Roman schreibe, dranbleiben, dranbleiben.
    Padillas Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Sie war knapp und monothematisch. Mein Roman, sagte er, wird an ein Stroboskoplicht erinnern, viele Figuren (aber undeutlich oder mit willkürlichen, vom Zufall diktierten Strichen gezeichnet), viel Gewalt, viele Wolfs- und Hundevollmonde und viele erigierte, gut geschmierte Schwänze, viele harte Schwänze und viel Geheul.
    Amalfitanos Antwort, auf Briefpapier mit Wappen der Universität, zwischen zwei Veranstaltungen auf der elektrischen Schreibmaschine in seinem Dienstzimmerchen verfasst, sollte besonnen klingen. Ein Übermaß an Figuren könne aus jedem Roman eine Sammlung von Erzählungen machen. Harte Schwänze seien, von ruhmreichen Ausnahmen abgesehen, in der Regel nicht literarisch. Das Geheul schon, aber das zuständige Genre, sein natürliches Habitat, sei die Lyrik, nicht die Prosa. Dieser Weg sei nicht ungefährlich, warnte er und bekräftigte ein paar Zeilen weiter unten den Wunsch, Näheres über die Umstände des Selbstmords des Malers zu erfahren. Über sein neues Leben in Santa Teresa sagte er praktisch nichts.
    Die nächste Nachricht von Padilla war eine Postkarte mit dem Hafen von Barcelona. Dort haben wir uns zum letzten Mal gesehen, und manchmal denke ich, zum definitiv letzten Mal, schrieb er. Und er verriet ihm den Titel seines Romans: Der Gott der Homosexuellen .
    Amalfitano spielte den Ball zurück. Auf einer Postkarte von Santa Teresa mit der Statue von General Sepúlveda, dem Helden der Revolution, gab er zu, dass er den Titel passend finde. Was den Gott der Homosexuellen betraf, wer könnte das sein? Nicht die Göttin der Liebe, auch nicht der Gott der Schönheit, ein anderer, aber wer? Was die Frage betraf, ob sie sich noch einmal wiedersehen würden, deren Beantwortung wolle er dem Gott der Reisenden überlassen.
    Padilla antwortete umgehend und ausführlich: Der Maler mit der Lederkluft hatte allem Anschein nach keinen Grund, sich umzubringen. Sein Aufenthalt in New York war seiner Ausstellung in der angesehenen Galerie von Gina Randall geschuldet, von der du bestimmt noch nie gehört hast, die unter Kennern aber

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