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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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gereckten Händen, wie ein vor Kälte starrer Schiffbrüchiger, Schwanz und Ohren des Stiers. Äußerst geschickt in der Kunst des Tötens, erlebte er seinen endgültigen Durchbruch in den Stierkampfarenen von Monterrey und, 1928, in der von Mexiko-Stadt, wo man ihm von den Rängen und später auf öffentlichen Plätzen zujubelte. Er war hoch gewachsen und von schlanker, einige behaupten rappeldürrer Konstitution, gut gekleidet, als Torero ebenso wie als Zivilist. Die Eleganz, mit der er sich in der Arena bewegte, verwandelte sich indes im Alltag in das affektierte Gockeln eines Ganoven und Angeber. Zusammen mit Federico Montero und anderen Freunden gehörte er zum Club der Reiter des Todes, einem offenbar harmlosen und gastronomisch orientierten, wenn auch ominöse Erinnerungen weckenden Junggesellenclub. Der Tod, der wirkliche, ereilte ihn von der Hand eines sechzehnjährigen Burschen, der ihn aus unbekannten Gründen in der Taverne Los Primos Hermanos aufspürte und mit zwei gezielten Schüssen aus einer alten Flinte erledigte, bevor er selbst zu Boden ging, von den Kugeln derer getroffen, die den Torero begleiteten. Die Statue, die über seine Grabstätte wacht, wurde auf Initiative von Montero und anderen Freunden errichtet, die auch für sämtliche Kosten aufkamen. Der Bildhauer war Pablo Mesones Sarabia (1891–1942), aus der Schule von Potosí von Meister Garabito.

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    Das bildhauerische Ensemble Der Sieg der Bewohner von Santa Teresa über die Franzosen auf der Plaza del Norte, in fünfunddreißig Meter Entfernung zur Statue des Revolutionshelden General Sepúlveda, ein Werk der Bildhauer Pedro Xavier Terrades (1899–1949) und Jacinto Prado Salamanca (1901–1975), beides Schüler der von Meister Garabito begründeten Schule von Potosí, wartete mit einer prinzipiellen historische Ungenauigkeit oder Fehlerhaftigkeit auf. Das Werk als solches verdient durchaus Respekt; die fünfteilige Komposition aus schwarzem Gusseisen besaß den für die Schule von Potosí charakteristischen Schwung, eine erhabene, gleichsam erstarrte Kühnheit und hysterische, wie vom Atem der Geschichte verkrümmte Figuren. Das Ensemble in Lebensgröße umfasste einen Milizionär aus Santa Teresa, der mit der Rechten in südwestlicher Richtung auf etwas deutet, das sich der Betrachter als die zurückweichenden feindlichen Truppen vorstellen konnte. Das Gesicht des Milizionärs, seine verkniffenen Lippen und zorn- oder schmerzverzerrten Züge, wird durch einen übertrieben großen Kopfverband teilweise entstellt. In der Linken hält er einen Karabiner. Hinter ihm, am Boden zu seinen Füßen, liegt ein toter Franzose. Die Arme des Franzosen sind zum Kreuz ausgebreitet und seine Hände verkrümmt, als wären sie im Feuer verbrannt. In seinen Zügen liegt, was die alten Künstler den friedlichen Ausdruck der Toten nannten. Daneben stirbt in den Armen einer jungen, höchstens fünfzehnjährigen Magd ein Chinaco. Die Augen des Freiheitskämpfers, sein irrer, halluzinierender Blick, sind gen Himmel gerichtet, während das Mädchen, halb Muttergottes, halb goyasche Zigeunerin, die Augen ernst und mitfühlend geschlossen hält. Die Linke des Sterbenden ist mit der Rechten des Mädchens verbunden. Aber es sind keine verschränkten Hände, ganz und gar nicht, vielmehr zwei Hände, die sich in der Dunkelheit suchen, zwei Hände, die sich abstoßen, zwei Hände, die einander verstehen und verzweifelt fliehen. Die letzte Figur schließlich stellt im Halbprofil einen alten Mann dar, der den Kopf gesenkt hält, als wollte er nicht sehen, was geschehen ist, die Lippen auf eine Weise gekräuselt, die vielleicht Schmerz ausdrückt oder bedeuten könnte, dass er pfeift (und so nennen ihn die auf dem Platz spielenden Kinder: den Pfeifer). Der Alte steht reglos, die rechte Hand nahe am Herzen, aber ohne die Brust zu berühren, die Linke hängt seitlich herab, wie tot. Die Figurengruppe war 1940 in Auftrag gegeben und 1945 vollendet worden. Einigen Kritikern gilt sie als Terrades’ und Prado Salamancas Meisterwerk, und es ist ihre letzte gemeinsame Arbeit. Nun, der Fehler des Werks liegt in seinem Titel. Es gab nie eine Schlacht gegen die Franzosen, aus dem einfachen Grund, weil die Männer, mit denen die Bewohner von Santa Teresa unter dem Kommando von José Mariño und Amador Pérez Pesqueira aneinandergerieten, keine Franzosen waren, sondern Belgier. Dem sachkundigen Buch Benito Juárez gegen Maximilian: Das Scheitern Europas des mexikanischen

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