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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Historikers Julio V. Anaya zufolge spielten sich der Feldzug und die spätere Schlacht folgendermaßen ab: Im August 1865 versuchte ein von Oberst Maurice Libbrecht geführtes Freiwilligen-Bataillon der belgischen Legion, bestehend aus vier Kompanien zu je hundert Mann, Santa Teresa einzunehmen, als dort gerade die republikanischen Truppen abgezogen worden waren. Die Verbände erreichten zunächst Villaviciosa, wo sie auf keinen Widerstand trafen. Nachdem sie sich neu verproviantiert hatten, ließen sie in besagtem Örtchen eine Garnison von zwanzig Mann zurück und zogen weiter. Davon alarmiert, organisierte man in Santa Teresa in aller Eile die Verteidigung, angeführt von den Herren Pérez Pesqueiro, dem Bürgermeister der Stadt, und Don José Mariño, einem reichen Gutsbesitzer der Gegend, ein Liberaler, der in dem Ruf eines Abenteurers und Exzentrikers stand und zur Verstärkung der Miliz jeden Mann rekrutierte, der eine Waffe zu tragen vermochte. Am Mittag des 28. Augusts trafen Libbrechts Belgier in den Außenbezirken ein, und nachdem er einige Aufklärer entsandt hatte, die mit der Nachricht zurückkehrten, die Stadt sei ohne Verteidigung und habe bei dem Scharmützel drei Reiter verloren, beschloss er, seinen Männern eine Stunde Erholung zu gewähren und dann offen anzugreifen. Die Schlacht sollte zu einem der größten Fiaskos für die Invasionstruppen im mexikanischen Nordosten werden. Die Milizionäre erwarteten die Belgier im Zentrum der Stadt. Einige wenige Vorposten am Stadtrand, die sich sofort zurückzogen, und sogar einige mit Blumen geschmückte Balkone und mehrere als Spruchbänder von Balkon zu Balkon gespannte Laken mit Parolen wie »Es leben die Franzosen« oder »Es lebe der Kaiser« genügten, um den überheblichen Libbrecht in die Falle zu locken. Die Schlacht, der Sieg, war fürchterlich, und die Kontrahenten kämpften, ohne eine Waffenruhe zu gewähren oder zu erbitten. Die Belgier verschanzten sich im Mercado Central und in den auf die Plaza Mayor zulaufenden Straßen; die Milizionäre im Rathaus und in der Kathedrale sowie in den Straßen, die zwischen den Belgiern und dem Umland lagen, einem ockerfarbenen Land, das, abgesehen von Libbrechts spärlicher Nachhut und einigen Hirten, die sich in der näheren und weiteren Umgebung, auf Weideflächen und Hügeln, wie Figuren auf einem flämischen Gemälde bewegten, leer und gleichsam starr vor Staunen dem Waffenlärm und Kanonendonner beiwohnte, die im Zentrum der Stadt erschollen, ein abstraktes Wesen, in dessen Innern Lust und Leid miteinander rangen. In der Nacht, die Belgier waren nach mehreren Versuchen, die Umzingelung zu durchbrechen, demoralisiert, starteten die Milizionäre den letzten Angriff. Libbrecht fiel unter dem Ansturm, und kurz darauf ergaben sich die Belgier. Unter ihnen auch Hauptmann Robert Lecomte, aus Brüssel gebürtig, der später die Tochter von Don Marcial Hernández heiraten sollte, in dessen Haus er die restliche Kriegszeit mehr als Gast denn als Gefangener überdauerte. In seinen Memoiren, die in vier Folgen im Moniteur de Bruxelles erschienen, lässt Lecomte durchblicken, dass die Niederlage auf Libbrechts Zuversicht und die Unkenntnis des mexikanischen Wesens zurückzuführen sei. Seine Schilderung stimmt fast in allen Punkten mit der von J.V. Anaya überein, der klarstellt: Die Schlacht sei grausam gewesen, habe aber die Grenzen von Würde und Anstand gewahrt; die Behandlung durch die Mexikaner nennt er vorbildlich. Kein Widerspruch dazu auch in den Erinnerungen eines anderen außerordentlichen Zeitzeugen, denen von José Mariño nämlich, Mäzen und Mann von Welt, der 1867 auf Einladung von General Mariano Escobedo der Schlacht von Querétaro und später der Erschießung des Kaisers beiwohnte; in seinen Memorias , New York 1905, erzählt Mariño in extenso von den Schlachtvorbereitungen und kurz und bündig von ihrem Verlauf. Tatsächlich ist Mariños Buch voll von solchen Dingen, von Schlachten, Duellen, politischen Intrigen, Liebschaften, Beziehungen zu großen Künstlern (er war ein persönlicher Freund von Martí und Salvador Díaz Mirón, von denen sich einige Briefe in dem mehr als achthundertseitigen Band finden), so dass die Episode der Schlacht von Santa Teresa zwangsläufig einen untergeordneten Platz einnimmt, man könnte sagen, dass sie nur aufgenommen wurde, um einen weiteren Beweis für die einzigartige Initiative und den unerschütterlichen Mut des Autors zu liefern. Gleichwohl verwendet

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