Die Noete des wahren Polizisten
sie ihm eine Reissuppe, und anschließend schliefen sie miteinander, bis es dunkel wurde.
Für Rafael Expósito war es das erste Mal. Als sie losmusste, befahl ihm die Prostituierte, im Zimmer oder, falls er ausginge, im Café an der Ecke oder auf der Treppe auf sie zu warten. Der Junge sagte, er sei in sie verliebt, und die Prostituierte ging glücklich und innerlich lachend davon. Am dritten Tag lauschten sie im Teatro Carlota den romantischen Liedern von Pajarito de la Cruz, dem dominikanischen Barden, der eine Tournee durch ganz Mexiko machte, und den Rancheras von José Ramírez, aber am besten gefielen dem Jungen die Revuegirls und die Zauberkunststücke von Professor Chen Kao, einem chinesischen Illusionisten aus Michoacán.
Am Nachmittag des vierten Tages verabschiedete sich Rafael Expósito mit vollem Magen und heiteren Gemüts von der Prostituierten, holte seinen Karabiner aus dem Versteck und begab sich entschlossen in die Bar Los Primos Hermanos, wo er Celestino Arraya traf. Sekunden nachdem er abgedrückt hatte, wusste er ohne den geringsten Zweifel, dass er ihn getötet hatte, und fühlte sich gerächt und glücklich. Er schloss nicht die Augen, als die Freunde des Toreros ihre Revolver auf ihn entluden. Er wurde im Armengrab von Santa Teresa beigesetzt.
1933 kam eine weitere María Expósito zur Welt. Sie war schüchtern und sanft und ließ mit ihrer Statur selbst die stattlichsten Männer des Dorfes klein aussehen. Von ihrem achten Lebensjahr an verkaufte sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter die Heiltränke ihrer Urgroßmutter, die sie auf ihrer frühmorgendlichen, sehr wählerischen Suche nach Kräutern begleitete. Manchmal sahen die Bauern von Villaviciosa ihre hoch aufgeschossene Silhouette, die sich gegen den Horizont abzeichnete, und fanden es seltsam, dass es Mädchen wie Bohnenstangen gab, die so große Schritte machten.
Sie war die erste ihrer Sippe, die lesen und schreiben lernte. Mit siebzehn wurde sie von einem Hausierer vergewaltigt und brachte 1950 ein Mädchen zur Welt, das den Namen María Expósito erhielt. Damals lebten am Rand von Villaviciosa fünf Generationen María Expósito unter einem Dach, und das ursprüngliche Hofgebäude war um Zimmer gewachsen, die sich kunterbunt an die große Küche mit der offenen Holzfeuerstelle anlagerten, auf der die älteste María ihre Mittelchen und Tränke braute. Abends zur Essenszeit saßen immer alle fünf beisammen, das Kind, die Bohnenstange, Rafaels schwermütige Schwester, die Kindliche und die Hexe, und dann sprachen sie von Heiligen und Krankheiten, von Geld, vom Wetter und von den Männern, die sie für eine Plage hielten, und dankten dem Himmel, dass sie bloß Frauen waren.
Im Jahr 1968, während in Paris die Studenten auf die Straße gingen, wurde die junge, noch jungfräuliche María Expósito in der Wüste von drei Studenten aus Monterrey verführt, die nach eigenen Worten die bäuerliche Revolution vorbereiteten und nach einer atemberaubenden Woche auf Nimmerwiedersehn verschwanden.
Die Studenten lebten in einem Lieferwagen, den sie in einer Biegung der Straße geparkt hatten, die Villaviciosa mit Santa Teresa verband, und jede Nacht schlüpfte María Expósito aus dem Bett, um mit ihnen zusammen zu sein. Als ihre Ururgroßmutter sie fragte, wer der Vater sei, kam María Expósito eine Art köstlicher Hölle in den Sinn, und sie hatte ein ganz klares Bild von sich vor Augen: klein, aber auf geheimnisvolle Weise stark, wie um es mit drei Männern gleichzeitig aufzunehmen. Sie stürzen sich auf mich, hechelnd wie Hunde, dachte sie, von vorn und von hinten, bis ich fast ersticke, und ihre Schwänze sind so riesig, es sind die Schwänze der bäuerlichen Revolution in Mexiko, aber innerlich bin ich größer als sie und werde nie ersticken.
Als ihr Sohn zur Welt kam, waren die Pariser Studenten wieder nach Hause gegangen und viele mexikanische Studenten nicht mehr am Leben.
Gegen den Wunsch ihrer Familie, die den Jungen auf den Namen Rafael taufen wollte, nannte María Expósito ihn Francisco, nach Franz von Assisi, und entschied, dass sein erster Nachname nicht Expósito lauten sollte, was Findelkind bedeutete, wie ihr die Studenten aus Monterrey eines Nachts im Licht des Lagerfeuers erklärt hatten, sondern Monje, Francisco Monje Expósito, mit zwei verschiedenen Nachnamen, und so trug sie ihn ins Taufregister ein, ungeachtet des Widerstrebens des Pfarrers und seiner Zweifel hinsichtlich der Identität des
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