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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Männern, und die aus Villaviciosa galten als überdurchschnittlich mutig, die bereit wären, für die Revolution zu kämpfen. Etliche, zuvor von den Würdenträgern des Dorfes ausgewählte Burschen ließen sich anwerben. Einer von ihnen, der in María Expósitos Augen immer nur ein gelegentlicher Spielkamerad gewesen war, so alt wie sie und offenbar auch genauso kindlich, entschloss sich, ihr in der Nacht vor seinem Aufbruch in den Krieg seine Liebe zu erklären. Er wählte dafür eine unbenutzte Scheune (die Leute aus Villaviciosa hatten nämlich immer weniger aufzubewahren), und angesichts des Gelächters, das sein Geständnis bei dem Mädchen hervorrief, ging er, verzweifelt und ungeschickt, dazu über, sie an Ort und Stelle zu vergewaltigen.
    Bevor er sie im Morgengrauen verließ, versprach er ihr, zurückzukommen und sie zu heiraten, fand aber sieben Monate später in einem Scharmützel mit Bundestruppen den Tod und wurde mitsamt seinem Pferd vom Río Sangre de Cristo fortgespült, ein Fluss, der wegen seines braunen, fast schwärzlichen Wassers auch als Rio del Infierno bekannt ist. Er kehrte also, obwohl María Expósito auf ihn wartete, nie nach Villaviciosa zurück, so wie viele junge Männer des Dorfes, die in den Krieg zogen oder sich als Revolverhelden verdingten und von denen man nie wieder etwas oder nur ziemlich zweifelhafte, hie und da kolportierte Geschichten hörte.
    Neun Monate nach seinem Fortgang kam María Expósito Expósito zur Welt, und die junge, über Nacht Mutter gewordene María Expósito begann zu arbeiten, indem sie in den Nachbardörfern die Medizin ihrer Mutter und Eier aus ihrem Hühnerstall verkaufte, und es ging ihr dabei nicht schlecht.
    Im Jahr 1917 geschah etwas, das in der Familie Expósito nicht üblich war: María wurde erneut schwanger, und diesmal gebar sie einen Jungen.
    Er hieß Rafael und wuchs auf in den Wirren des neuen Mexiko. Seine Augen waren grün wie die seines belgischen Ururgroßvaters, und sein Blick hatte jenen seltsamen Ausdruck, der allen Auswärtigen an den Bewohnern von Villaviciosa auffiel: einen trüben, durchdringenden Mörderblick. Wer der Vater war, wurde nie bekannt. Es konnte ein Soldat der Revolutionäre gewesen sein, genauso gut einer der Bundestruppen, die damals ebenfalls durch das Dorf zogen, oder irgendein Bauer, der es vorzog, an seiner wohlweislichen Anonymität festzuhalten. Bei den seltenen Gelegenheiten, da man sie nach dem Vater des Jungen fragte, erwiderte María Expósito, die mit der Zeit Ausdrucksweise und Hexengebaren ihrer Mutter angenommen hatte (obschon sie nie über den Verkauf von Medizin hinausgelangte und auch schon mal Rheumamittelchen mit Krampfadersalben verwechselte), Rafaels Vater sei der Teufel und Rafael sein leibhaftiges Ebenbild, eine Antwort, welche die Bewohner von Villaviciosa wider Erwarten nicht im geringsten irritierte, hatten doch alle Burschen des Dorfes mehr oder weniger große Ähnlichkeit mit dem Herrn Urian.
    Im Jahr 1933 trafen während eines homerischen Gelages der Torero Celestino Arraya und seine Kumpel vom Club der Apokalyptischen Reiter bei Morgengrauen in Villaviciosa ein und nahmen in der Bar Valle Hebrón Quartier, die damals auch eine Herberge war, und verlangten lauthals ein gegrilltes Zicklein, das ihnen von drei Mädchen aus dem Dorf serviert wurde. Eins dieser Mädchen war María Expósito. Vormittags um elf zogen sie weiter, und vier Monate später gestand María Expósito ihrer Mutter, dass sie ein Kind erwarte. Und wer ist der Vater?, fragte ihr Bruder. Die Frauen schwiegen, und der Junge stellte auf eigene Faust Nachforschungen über seine Schwester an. Eine Woche später lieh Rafael Expósito sich einen Karabiner und ging zu Fuß nach Santa Teresa.
    Er war noch nie in einer so großen Stadt gewesen, und das Gewimmel auf den Straßen, das Teatro Carlota und die Huren erstaunten ihn so, dass er beschloss, sich noch drei Tage umzuschauen, bevor er sein Vorhaben ausführte. Den ersten Tag verwandte er darauf, die Orte in Erfahrung zu bringen, an denen Celestino Arraya sich aufhielt, und einen kostenlosen Schlafplatz zu finden. Er stellte fest, dass in manchen Vierteln die Nächte wie helllichter Tag waren, und nahm sich fest vor, nicht zu schlafen. Am zweiten Tag, als er den Nuttenstrich auf und ab lief, erbarmte sich seiner eine kleine, wohlgeformte und allseits gefürchtete Yukatanerin mit pechschwarzem Haar bis auf die Hüften und nahm ihn mit zu sich. Dort, in ihrem Hotelzimmer, kochte

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