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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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als die, die sie untereinander wechselten, und nach einer Sekunde des Zögerns machten sie kehrt und begannen zu laufen, nein, nicht zu laufen, zu traben wie Zugpferde, sich rasch durch die Leute zu drängeln, die Gehwege und Arkadengänge verstopften. Ohne einen Ton zu sagen. Auch mir blieb keine Zeit, ihnen Memmen, Feiglinge, Schwanzlutscher hinterherzurufen.«
    »Schwules Gesocks der übelsten Sorte, Herzchen«, sagte die Nutte.
    »Ich erstarrte neben der Frau von Don Gabriel, die nicht wusste, was los war, warum wir stehen blieben, und die zusah, wie mein weißes Hemd und meine zu weite Drillichhose zitterten, die, wenn ich den Gürtel nicht ordentlich eng schnalle, zu Boden fällt, wo das Gezappel weiterginge. Aber ich hatte auch Zeit, die Mörder zu sehen. Einer der beiden, der mit der Magnum, ging unbeirrt weiter, der andere grinste angesichts der Flucht meiner beiden Kameraden, als wollte er sagen, ach, wie lustig ist das Leben, als wollte er sagen, fliehen ist nicht Feigheit, sondern Hurtigkeit. Ich fixierte den mit der Magnum: Er sah aus, als sei er aus Villaviciosa. Er wirkte traurig und ernst, ein alternder Mann, zumindest war das mein Eindruck. Der andere nicht, der andere stammte sicher aus einer Stadt. Dann begannen sich die Leute zu verdrücken, wohl weil die Waffen jetzt ins Auge sprangen oder weil sie plötzlich wussten, dass es eine Schießerei geben würde, oder weil ihr Blick plötzlich auf uns, auf die Señora und mich, fiel und sie unsere leichenblassen Gesichter sahen.«
    »Ach, welche Ängste man in so einem Moment durchmacht, mein Herz«, sagte die Nutte.
    »Ich hatte keine Angst. Ich wartete ab, bis sie auf weniger als fünf Meter heran waren, und dann zog ich, noch bevor jemand zu schreien anfing, wie selbstverständlich und ohne lange zu fackeln die Pistole und machte beide kalt. Die Dreckskerle kamen erst gar nicht zum Schuss. Der mit der Uzi starb mit einem Staunen im Gesicht. Dann drehte ich mich um, voller Wut, das war das einzige, was ich in diesem Moment fühlte, und leerte das restliche Magazin auf die trabenden Gestalten der beiden Dicken aus Tijuana, aber sie waren schon zu weit weg. Ich glaube, ich habe einen Passanten verletzt.«
    »Du hast es faustdick hinter den Ohren, mein Engel«, sagte die Nutte.
    »Fünf Stunden wurde ich auf dem Kommissariat in der Calle General Sepúlveda festgehalten. Zwar sagte die Frau von Don Gabriel der Polizei, ich sei ihr Leibwächter, aber man glaubte ihr nicht. Bevor sie mich in den Streifenwagen verfrachteten, sagte ich ihr, sie solle ihren Mann anrufen und sich dann in eine Cafeteria setzen, auf ihn warten und nicht nach draußen gehen, und wenn sie sich auf der Toilette einschließen könne, solle sie sich nicht zieren und das tun. Dann legte man mir Handschellen an, schubste mich in den Streifenwagen und brachte mich auf das Kommissariat in der General Sepúlveda.«
    »Dort haben sie dich sicher vermöbelt, Herzchen«, sagte die Nutte.
    »Dort musste ich auf unzählige Fragen antworten. Sie wollten wissen, ob ich den verletzten Passanten kannte, warum ich das Feuer auf die Dicken eröffnet hätte, ob ich unter Drogen stünde, und welche Drogen ich gewöhnlich nähme, ob ich der wäre, der Pérez Delfino getötet hat, Juan Pérez Delfino, die rechte Hand von Virgilio Montes, ob ich Drogenhändler aus Arizona kennen würde, ob ich schon mal im Adiós war, Lupe, eine üble Kaschemme in Hermosillo, wo ich die Pistole herhätte, ob ich mit Roberto Alvarado befreundet sei, ob ich schon mal im Knast war, wenn ja, in welchem, und warum und wie oft. Ich hätte noch nie gesessen, sagte ich. Ich zitterte nicht mehr, und mein Gehirn registrierte Leute und nicht Kleider, Leute, die sich für mich interessierten, Leute, die Lust hatten, mir zuzuhören, die Lust hatten, mir etwas aus der Nase zu ziehen, engagierte oder gelangweilte Leute, die ihren Job machten. Aber ich sagte nichts. Wo hast du schießen gelernt?, fragten diese wirklichen Leute, hast du einen Waffenschein?, und ich kein Wort, ruft Don Gabriel Salazar an, er wird euch erklären, was ihm zu erklären beliebt.«
    »Du hast dich wie ein Mann benommen, mein Süßer«, sagte die Nutte.
    »Nach fünf Stunden erschien Don Pedro Negrete, und die Polizisten nahmen Haltung an. Don Pedro erschien mit einem Lächeln auf dem Gesicht und Händen in den Taschen, als hätte er alle Zeit der Welt und als würde es ihm nichts ausmachen, an einem Samstagabend auf dem Kommissariat vorbeizuschauen. Wer hat

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