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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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diesen Jungen in den Bau gesteckt?, fragte er, ohne die Stimme zu heben. Die Bullen, die mich verhörten, machten sich in die Hose. Ich selbst, sagte einer. Ach, Ramírez, voll vermasselt, sagte Don Pedro, und fast warf sich Ramírez ihm zu Füßen, um selbige zu küssen, nein, Don Pedro, reine Routinesache, Sie irren sich, Don Pedro, wir haben ihn nicht angefasst, fragen Sie ihn selbst, um Himmels willen, Don Pedro, und Don Pedro sah zu Boden, sah mich an, sah die anderen Polizisten an, ach, Ramírez, Don Pedro lachte, ach, Ramírez, und da lachten auch die anderen, nur ich nicht, sie fassten Vertrauen, entspannten sich und lachten, lachten über den armen Ramírez, diesen Hornochsen, voll vermasselt, und Ramírez sah sie alle der Reihe nach an, als wollte er sagen, seid ihr denn verrückt geworden?, und dann lachte sogar ich, und am Ende lachte auch Ramírez, der arme Idiot. Und wo ich jetzt daran denke: Das Gelächter klang seltsam, es war Gelächter, aber es war auch etwas anderes. Niemals hast du Polizisten in einem Verhörraum über einen Kollegen lachen hören. Das Gelächter glich einer Zwiebel. Die ungezogenen Kinder, die in jedem von ihnen wohnten, lachten, und die Zwiebel verzehrte sich nach und nach. Das Gelächter hallte von den feuchten Wänden wider. Die Zwiebeln waren klein und bösartig. Und für mich fühlte es sich an wie ein Willkommensgruß oder ein Fest.«
    »Das Lachen eines Polizisten höre ich gern, das von vielen nicht so, Herzchen«, sagte die Nutte.
    »Das Gelächter von Gumaro, der am Türrahmen lehnte und den ich erst jetzt sah. Don Pedro Negretes Lachen, das wie das Lachen Gottes war und nach Whisky und gutem Tabak roch. Und das Gelächter meiner künftigen Kollegen, ehrlich amüsiert, von ganzem Herzen, über die Strafe, die dem Mistkerl Ramírez blühte.«
    »Ich glaube, ich kenne diesen Ramírez, Herzchen«, sagte die Nutte.
    »Glaube ich nicht, Ramírez starb vor deiner Zeit. Er hatte versucht, mit Don Gabriel Salazar zu arbeiten, konnte aber nicht. Don Gabriel mochte mich, aber Don Pedro Negrete sagte zu ihm, auf mich müsse er in Zukunft verzichten, er habe seine Chance gehabt, und er habe sie vertan, indem er mich mit zwei Schwuchteln zusammengespannt habe, die es nicht mal wert seien, dass man nach ihnen suchte, um ihnen einen Genickschuss zu verpassen, und dass dieser Pat Cochrane ein Versager sei und ich nie wieder für ihn arbeiten werde. Ich habe dir den Jungen anvertraut, Gabriel, und du hast ihn mir fast umgebracht. Jetzt behalte ich ihn. So hörte ich also auf, für Don Gabriel Salazar zu arbeiten. Don Gabriel zeigte sich nicht sehr einverstanden mit den Erklärungen von Don Pedro, aber beim Abschied gab er mir einen Umschlag mit Geld, von seiner Frau Gemahlin, sagte er, deren Nervenzusammenbruch mehr als eine Woche währte, die aber trotzdem immer noch dankbar war für meine Dienste. Mit dem Geld kaufte ich mir Kleidung und mietete mir eine Wohnung in der Siedlung El Milagro, im Süden von Santa Teresa.«
    »Du hast mich nie zu dir eingeladen, Herzchen«, sagte die Nutte.
    »Das war meine erste Wohnung und bis heute meine einzige. Sie befindet sich im dritten Stock, hat ein Esszimmer, eine Küche, ein Bad und ein Schlafzimmer. Sie hat von keiner Seite Sonne, was für mich alles andere als unangenehm und eher ein Vorteil ist, weil ich gewöhnlich tagsüber schlafe und die Dunkelheit mag. Als ich achtzehn wurde, kaufte ich mir einen 74er Ford Mustang. Das war ein alter, aber schöner Wagen mit intaktem Motor. Man hat ihn mir fast geschenkt, könnte man sagen. Gefallen bezahlt man mit Gefallen, Pancho, sagten sie zu mir, und ich sagte, in Ordnung.

4
     
    Pedro und Pablo Negrete wurden 1930 in Santa Teresa geboren. Zur Überraschung ihrer Familie und zum Ergötzen ihrer Nachbarn kamen die beiden als eineiige Zwillinge zur Welt. Bis sie sechzehn waren, sahen sie völlig gleich aus, und nur ihre Mutter konnte sie auseinanderhalten. Danach sorgte das Leben dafür, dass sie sich radikal veränderten, obwohl ihre körperlichen Unterschiede für einen aufmerksamen Physiognomiker im Grunde wie Kommentare des einen zum jeweils anderen wirkten. So besaßen Pedros Schnurrbart und Pedros Augen, seine kräftigen Hände, sein entschlossener Händedruck, sein Magen eines herzhaften Essers und Trinkers ihr genaues Gegenstück, ihr vollendetes Verständnis in den blutleeren Lippen und dicken Brillengläsern, die Pablo seit seinem sechzehnten Geburtstag mit sich herumtrug, in seinen

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