Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott
sagen, wenn die Hyksos einfach verschwinden würden? Einfach so. Du stehst morgen früh auf, und sie sind weg.«
»Du meinst, einfach weg?«
»Einfach weg. Du brauchst dich vor niemandem zu schämen. Du brauchst nicht gegen die Anordnungen des Pharaos zu verstoßen. Das Problem löst sich einfach durch Verschwinden.«
Kamoses überlegte. Das wäre die beste Lösung.
»Du garantierst es? Egal, wie du es anstellst, du garantierst, dass morgen früh keine Hyksos mehr in Theben sind?«
»Wenn Chepre die Sonne über den Horizont schiebt, wird es in Theben keinen einzigen Hyksos mehr geben!« Bekräftigend stampfte Psuta mit dem Fuß auf. »Und jetzt wirf die Hure raus, sonst geschieht gar nichts!«
Kamoses war von jeher skeptisch in Bezug auf magische Kräfte, und auch den Priestern gegenüber konnte er sein Misstrauen kaum unterdrücken.
Sein Glaube war eher politisches Kalkül, denn Überzeugung. Doch seit dem Vorfall mit dem Ankh sah er die Sache mit den Göttern und der Magie mit anderen Augen.
»Gut, ich lasse Kalala sofort in einen Segler setzen. Man soll sie bis zu den Quellen des Nils bringen, wo immer die sein mögen.«
»Gut, Kamoses, sehr gut. Dann helfe ich dir«, versprach Psuta feierlich und verließ den Raum.
Jenseits der Tür brach sie in schallendes Gelächter aus. Sie eilte die maroden Flure entlang zu ihren Gemächern beziehungsweise zu dem, was davon übrig war.
Ihre Kosmetikerin Esther, das Hyksosmädchen, hatte sich für ihre Informationen wirklich ein schönes Abschiedsgeschenk verdient.
Auf der Höhe von Biban el-Moluk stand ein einsamer Gott in der Nacht und blickte in Richtung Theben. Die Figuren waren gesetzt, die ersten Züge gemacht. Das Spiel konnte beginnen.
Die Kleine Karawane
Als der Käfer Chepre mit seinem Tagwerk begann und die Sonne über den östlichen Horizont rollte, war die Welt im Allgemeinen und Theben im Besonderen anders als gestern. So suchte Gott Ra mit seinen Sonnenstrahlen vergebens nach den Tajarim zwischen den mehr oder weniger zerstörten Häusern und Hütten von Theben.
Zwar ist Ras Sonne nicht an die Gesetze der normalen Physik gebunden und kann ihre Strahlen krümmen und abwinkeln und manchmal sogar in Häuser und Höhlen schicken, dennoch war nichts zu finden.
Im Palast des Statthalters stolzierte Psuta im großen Saal triumphierend auf und ab. Mit ausgestrecktem rechten Zeigefinger stocherte sie in der Luft herum, bis sie ihr Ziel gefunden hatte, die Stelle auf Kamoses’ Brust, hinter der sich bei normalen Menschen das Herz befand. »Jetzt musst du die schwarze Hure rausschmeißen, du hast es versprochen. Und wenn du es nicht tust, sorge ich dafür, dass die Hyksos zurückkommen und noch mehr Unheil anrichten!«
Kamoses seufzte, denn er mochte Kalala wirklich, eine für ihn sehr ungewöhnliche Tatsache. Der Statthalter kannte nur zwei Kategorien von Frauen: politisch nützliche und privat ergötzliche. Für Mögen oder gar Lieben war da kein Platz – normalerweise. Doch Kalala, seine schwarze Perle aus der Oase Salima südwestlich vom zweiten Katerakt, war anders.
Anders, als er es sich selbst bei der Hochzeit erwartet hatte.
Natürlich reizten ihn ihre Exotik, ihre makellose Figur und ihre Verführungskünste im Bett und anderswo. Natürlich hatte er sich von der Heirat auch politischen Nutzen versprochen. Es war nie verkehrt, gute Beziehungen zu den Stämmen der Nubischen Wüste und des Hochlands von Gebel Abjad zu pflegen, vor allem, weil diese Stämme als reich galten. Aber die Beziehung mit Kalala hatte eine andere Entwicklung genommen. Ihre Heimat war zu weit von Theben entfernt, um Kamoses politisch wirklich nützen zu können, und sie war somit anfangs mehr Statussymbol denn der Staatsräson dienlich. Im Lauf der Monate und Jahre aber hatte er an Kalala Eigenschaften kennen gelernt, die er bei anderen Frauen nie wahrgenommen hatte, vor allem nicht bei Psuta. Kalala konnte zuhören, sie konnte trösten, sie konnte ihn seine Sorgen vergessen lassen. Das war neu für ihn, und deshalb hing er an ihr.
Und jetzt sollte er den einzigen Menschen, dem er sich wirklich anvertrauen konnte, aufgeben?
Kamoses seufzte erneut. Er wusste nicht, was Psuta angestellt hatte, um die Hyksos zu vertreiben, und ob sie überhaupt etwas damit zu tun hatte, aber Tatsache war, sie waren nicht mehr da. Er wollte kein Risiko eingehen, dass Psuta vielleicht doch über irgendwelche dunklen Kanäle dafür sorgen konnte, dass sie
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