Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott
uns führst, mein lieber Seshmosis«, begann der Krokodilbändiger im Ruhestand süffisant und fügte hinzu: »Und mich selbst würde es ebenfalls über alle Maßen interessieren.«
Seshmosis war erleichtert, auf diese Frage wartete er schon seit dem Aufbruch.
»Wir ziehen weiter bis Gebtu, dann nach Qena. Dort verlassen wir den Nil und gehen auf dem Wadi Gasus geradewegs nach Mersa Gawasis am Roten Meer. Dort suchen wir Boote, die uns übersetzen. Damit sind wir aus dem Gröbsten raus.«
»So, so, du willst uns also auf einen Wadi führen. Ist dir eigentlich klar, dass ein Wadi ein Wüstenweg ist?«, fragte Raffim.
»Klar weiß ich das, jeder weiß das«, erwiderte Seshmosis irritiert.
»Nun, ein Weg durch die Wüste ist unangenehm, sehr unangenehm. Man sieht den Nil nicht mehr. Und es gibt dort auch kein Gras und keine Felder. Ich weiß nicht, ob mir und den anderen das gefällt.«
»Ob dir und den anderen das gefällt?«, echote Seshmosis. »Es kommt nicht darauf an, ob es euch gefällt. Wir sind zufälligerweise auf der Flucht. Der schnellste Weg aus diesem uns gar nicht freundlich gesonnenen Land ist nun einmal über den Wadi Casus durch die Wüste.«
»Die anderen, und ich schließe mich hier der Mehrheit an, sind der Meinung, dass wir noch viel zu wenig von Ägypten gesehen haben. Kaum einer von uns ist doch je über Theben hinausgekommen«, antwortete Raffim mit versöhnlicher Stimme. »Sieh, mein lieber Seshmosis, wir haben beraten und sind zu dem Schluss gekommen, dass dies eine gute Gelegenheit wäre, unserem Namen Tajarim gerecht zu werden. Schauen wir uns doch noch ein wenig von diesem Land an, bevor wir ihm endgültig den Rücken kehren. Wir haben daher beschlossen, den Nil entlang nach Norden zu ziehen bis Gizeh, und dort schauen wir uns die berühmten Pyramiden und die Sphinx an. Dann haben wir unseren Nachkommen etwas zu erzählen.«
Raffims triumphierendes Lächeln wurde durch die kleinen grünen Funken um seine Mundwinkel auch nicht besser.
»Ihr habt also beschlossen? Ihr? Wer – ihr?«, fragte Seshmosis.
»Nun ja, wir alle, die wir bei uns etwas zu sagen haben. Quasi wir Gemeindeoberhäupter.«
»Und ihr wollt wirklich nach Unterägypten, wo gerade Pharao Ahmose persönlich die Peitsche gegen die Hyksos schwingt?« Seshmosis war entsetzt.
»Na ja, wir sind doch keine Hyksos, wir sind doch Tajarim. Hast du selbst gesagt. Also kann er doch gar nichts gegen uns haben. Welcher Herrscher hat schon etwas gegen Touristen in seinem Land?«, wand sich Raffim.
»Vielleicht ist der Pharao noch nicht auf dem neuesten Stand und sieht die Sache etwas anders als wir«, höhnte der Schreiber.
»Wir haben aber abgestimmt, und alle wollen die Pyramiden sehen!«
Raffim reagierte jetzt trotzig, und wenn er nicht gesessen hätte, wäre wohl ein energisches Fußaufstampfen auf seine Worte gefolgt.
»Dann bin ich aber beruhigt. Wenn das so ist, dass ihr abgestimmt habt und die Pyramiden sehen wollt, um euren Nachkommen davon zu erzählen, verstehe ich das natürlich«, flüchtete sich Seshmosis in Sarkasmus. »Falls ihr überhaupt noch Nachkommen haben solltet, nach der Besichtigung. Könnte auch sein, dass ihr die Pyramiden nie zu Gesicht bekommt, weil ihr vorher im Steinbruch für Ahmoses Grabmal schuften dürft. Dann seid ihr hautnah dabei, mittendrin sozusagen.«
»Sei doch nicht immer so negativ, Seshmosis. Du kommst ganz nach deinem Vater. Der war auch ein alter Schwarzseher. Vielleicht ist das bei euch eine Berufskrankheit, weil ihr immer mit schwarzer Tusche schreibt. Häh, häh!« Raffim klopfte sich vor Vergnügen über seinen eigenen Witz auf die fülligen Oberschenkel.
Seshmosis schüttelte traurig den Kopf. »Euch ist wirklich nicht zu helfen. Um ein paar Steinhaufen anzusehen, riskiert ihr euer Leben.«
»Wir sind eben echte Tajarim!«
Raffim wusste immer, wann er gewonnen hatte. Genau in diesem Moment.
An der südlichen Anlegestelle von Theben war eine große Menschenmenge versammelt. Die Kunde von der Abreise der Frau des Statthalters Kamose, der Nubierin Kalala, hatte sich in der Stadt genauso schnell ausgebreitet wie das kürzliche Erdbeben.
Nun muss dazu gesagt werden, dass die Hyksos zwar die »Lieblingsfeinde« der einheimischen Bevölkerung waren, aber auch andere Fremde waren nicht wohl gelitten. Vor allem, wenn sie so tiefschwarz waren wie Kalala. Eine solche Frau an der Seite des Statthalters war vielen ein Dorn im Auge. Als Sklavin konnte man sie akzeptieren, aber
Weitere Kostenlose Bücher