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Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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du mit der lauten Stimme, der in Wnsy erscheinet; ich führe mich nicht prahlerisch auf.
    O du aus Bubastis, die du aus deiner Gruft kommst; ich bringe niemand zum Weinen.
    O du, dessen Gesicht hinter dir ist und der du in deiner Höhle erscheinest; ich habe keine unnatürlichen Gelüste.
    O du Heißfüßiger, der im Zwielicht erscheinet; ich ergebe mich nicht dem Zorn.
    O Dunkler, der aus der Dunkelheit kommet; ich lasse mich nicht zum Fluchen hinreißen.
    O du, der seine eigenen Opfergaben trägt und in Sais erscheinet; ich habe keine lose Hand.
    O du mit den verschiedenen Gesichtern, der du in Netefit erscheinest; ich bin nicht wankelmütig.
    O Vielbeschäftigter, der in Wenet erscheinet; ich stehle nicht die Häute heiliger Tiere.
    O du Gehörnte, die in Sauti erscheinet; ich führe keine lauten Reden.
    O Nefertem, der in Memphis erscheinet; ich bin weder ein Lügner noch ein Missetäter.
    O du, die niemanden überleben lässt, die in Djedu erscheinet; ich bin keiner, der dem Pharao flucht.
    O du, der ganz nach eigenem Willen handelt und in Tjebu erscheinet; ich halte das Wasser in seinem Laufe nicht auf.
    O du Zuschlagender, der du im Himmel erscheinest; ich bin kein Schreier.
    O du, der Sterbliche gedeihen lässt und aus seiner Wohnstatt kommt; ich fluche keinem Gott.
    O du mit der schönen Schulter, die du in Qena erscheinest; ich blähe mich nicht auf vor Stolz.
    O Vereiner der Embleme, der du in deiner Wohtstatt erscheinest; ich bevorzuge niemand zu Unrecht.
    O du mit dem erhobenen Haupt, der du in deiner Höhle erscheinest; ich begehre nichts, was nicht mir gehört.
    O du mit dem erhobenen Arm, der du in der Unterwelt erscheinest; ich tue nichts, was den Gott meiner Heimat beleidigen könnte.
     
    Nach dieser Litanei versammelten sich alle anwesenden Götter im Kreis um den Leichnam, um den wichtigsten Teil der Zeremonie zu unterstützen.
    »Ihr Götter der großen Versammlung, es ist Zeit für die Sprüche für das Herausgehen bei Tage. Sprecht nun mit mir die magischen Formeln der Auferstehung«, forderte Isis auf. Und aus allen Mündern, Mäulern und Schnäbeln kamen die gleichen Worte:
    Dem Menschen in der Unterwelt das Herz nicht wegnehmen.
    Die Luft der Unterwelt atmen und Macht über das Wasser in Amentet haben.
    In der Unterwelt nicht verwesen.
    Nicht untergehen und in der Unterwelt zum Leben erwachen.
    Den Kopf nicht auf den Richtblock legen.
    Dem Menschen in der Unterwelt nicht den Kopf abschneßen.
    In der Unterwelt nicht nach Osten degeln.
    Die Seele in der Unterwelt mit dem Körper vereinigen.
    Auf dass die Seelen aller in der Unterwelt nicht versklavt werden.
    Der Seele und dem Schatten des Osiris das Grab öffnen.
    Die Füße heben und auf die Erde hervorkommen.
    Nach der Wanderung durch das Grab hervortreten bei Tage.
    Auf dass der Mensch zurückkehre und sein Haus auf Erden wiedersehe.
     
    Snafur schlug die Augen auf und rülpste.
    »Wo bin ich?«
    Isis, die über ihn gebeugt stand, fächelte sich Luft zu. »Der Kerl stinkt bestialisch. Den hat nicht Apophis umgebracht, sondern der Alkohol.«
    Toth lachte. »Nach meinen Aufzeichnungen ist er Snafur, ein Hafenmeister aus Sauti. Die saufen alle. Der säuft sogar ein Nilpferd unter den Tisch. Ich bin sicher, dass auch er ein Opfer von Apophis ist.«
    »Ich verstehe überhaupt nichts«, jammerte Snafur. »Eben saß ich noch in meiner Lieblingsschänke, Der Jungfrau vom Nil, und löschte meinen Durst mit ein paar Bechern Henket. Plötzlich fiel ich um, und jetzt erinnere ich mich an nichts mehr. Wo bin ich eigentlich? Und wer seid ihr?«
    »Du solltest mich kennen, Snafur. Ich bin Isis, deine Göttin.«
    Snafur verlor erneut das Bewusstsein. Isis berührte ihn leicht an der Wange, und er schlug die Augen wieder auf.
    Snafur schaute in das freundliche Gesicht von Isis und beruhigte sich ein wenig. Vielleicht habe ich ein wenig zu viel getrunken, dachte er. Es soll ja Menschen geben, die nach dem Genuss von zu viel Bier weiße Nilpferde sehen.
    Dann wandte er den Kopf nach rechts und erschauderte. Da stand der schakalköpfige Totengott Anubis.
    Snafur drohte abermals ohnmächtig zu werden, und so hielt ihn Isis vorsichtshalber an der Hand. »Du bist in der großen Gerichtshalle. Aber keine Angst, du bist nicht tot. Zumindest nicht mehr. Schreckliches ist geschehen, doch nun kannst du bei Tage hinaustreten und in dein Haus zurückkehren.«
    »Oder in die Taverne«, ergänzte Toth grinsend, der nun wieder seine Paviangestalt angenommen hatte.

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